Gegen Ende des Kriegsjahres 1944 fällte Dr. Roland Freisler, Präsident des »Volksgerichtshofes« in Berlin, drei Todesurteile am Landesgericht Salzburg, das unter dem nationalsozialistischen Regime eine spezielle Adresse hatte: Georg-von-Schönerer-Platz 2.1

Die Todesurteile, die der Berliner Blutrichter an drei aufeinander folgenden Kriegstagen in Salzburg verhängte, haben gleichlautende Begründungen: »Wehrkraftzersetzung« und »Feindbegünstigung« – demnach Widerstand, ein heutzutage geläufiges Wort, das aber in den Akten des »Volksgerichtshofes« nicht aufscheint.

Ungeklärt ist bislang, aus welchen Gründen Freislers Salzburger Todesurteil vom 14. Dezember 1944 nicht vollstreckt werden konnte. Erzählt wird, dass Freislers Akte in Verlust geraten sei, daher auch der Vollstreckungsbefehl aus Berlin unterblieben sei.

Tatsache ist jedenfalls, dass der von Freisler in Salzburg mit dem Tode bestrafte Alois UNTERWURZACHER aus Osttirol, Fahrdienstleiter im Gasteinertal, aus seiner Todeszelle in München-Stadelheim befreit werden konnte – erstaunlich und überaus erfreulich.

Die Patres Edmund PONTILLER (OSB) und Johann SCHWINGSHACKL (SJ), die Freisler am 15. und 16. Dezember 1944 in Salzburg zum Tode verurteilte, konnten hingegen die Terror-Jahre nicht überleben.

Beide waren Priester aus Tirol: geboren am 4. November 1889 in Dölsach bei Lienz respektive am 4. Mai 1887 in Welsberg, Pustertal.

Beide wurden im Frühjahr des Kriegsjahres 1944 von der Gestapo verhaftet: der eine auf Schloss Szentegát in Ungarn, der andere in Bad Schallerbach bei Wels, doch beide in Salzburg vor Gericht gestellt.

Aber warum gerade in Salzburg? Freislers Akten schweigen.
Motive und Haltungen der beiden Patres lassen sich allerdings in prägnante Worte fassen: christlicher Widerstand.

Man weiß längst, dass Dr. Roland Freisler, der Todesurteile zu fällen liebte, am 3. Februar 1945 bei einem Luftangriff auf Berlin zu Tode kam – seither als »Opfer eines Terrorangriffes« gilt.

Spät wird hingegen registriert, dass Pater Edmund PONTILLER 55-jährig am 9. Februar 1945 in München-Stadelheim geköpft wurde und dass Pater Johann SCHWINGSHACKL 57-jährig am 27. Februar 1945 in München Stadelheim an seiner schweren Lungenkrankheit starb, wenige Tage vor seiner Enthauptung.

Die Opfer der Blutjustiz sollten nach der Befreiung Salzburgs durch die U.S. Army auf einem Gedenkstein namentlich verewigt werden: ein Mahnmal beim Landesgericht am Georg-von-Schönerer-Platz, der seit der Befreiung wieder Rudolfsplatz heißt, auf Wunsch antifaschistischer Gemeinderäte jedoch »Befreiungsplatz« heißen sollte.

Es kommt anders, als erhofft, gut sichtbar auf dem Rudolfsplatz: Dort steht eine Messstation für Abgase, blumengeschmückt.

1 Georg von Schönerer, österreichischer Gutsherr und Politiker (1842-1921): »Ohne Juda, ohne Rom, wird gebaut Germanias Dom!«

Quellen

  • Bundesarchiv Berlin: Volksgerichtshof Akten 5H 095/44, 06J 0110/44, 3 J 1870/44, 1J 404/44
  • Arolsen Archives: Sterbeurkunden Standesamt München
  • Biographia Benedictina und Ökumenisches Heiligenlexikon (Wikipedia)
  • Gisela Hormayr: Verfolgung, Entrechtung, Tod. Studierende der Universität Innsbruck als Opfer des Nationalsozialismus, Innsbruck 2019, S. 133-135, 142-146

Stolperstein
verlegt am in Salzburg, Kajetanerplatz 2

Alle Stolpersteine: Kajetanerplatz 2