Johann LANGER, geboren am 2. Juli 1878 in der böhmischen Stadt Neuhaus, damals Österreich-Ungarn (seit 1918 Tschechoslowakische Republik), war Jurist, Offizier der österreichisch-ungarischen Armee und seit 1906 verheiratet.

Das Ehepaar Johanna und Johann LANGER hatte drei in Wien geborene Töchter, Elisabeth, Hertha und Martha. Die seit 1920 in Salzburg lebende und hier auch heimatberechtigte Familie wohnte im Andrä-Viertel, im »Faberhaus« Rainerstraße 4, erste Etage.

Johann LANGER war zunächst Beamter der Salzburger Landesregierung und dann Richter am Landesgericht Salzburg – in den Jahren 1934 bis 1938, somit unter der österreichischen Diktatur, allerdings in exponierter Position: LANGER, Senatsvorsitzender mit dem Berufstitel Oberlandesgerichtsrat, war der im Februar 1934 am Landesgericht eingeführten »Fachabteilung für politische Strafsachen« (Abteilung 6) zugeteilt, die Verbrechen wie Bombenattentate, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Hochverrat und Religionsstörung nach dem österreichischen Sprengmittel- bzw. Strafgesetz zu verhandeln hatte.

Aus den Prozessakten geht hervor, dass Strafrichter LANGER in größeren Verfahren der Geschworenen- und Schöffensenate als Vorsitzender sowie in »beschleunigten und vereinfachten Strafverfahren« als Einzelrichter fungierte, und zwar vorwiegend in Strafverfahren gegen illegale Nationalsozialisten wegen Terroranschläge auf Telegrafen-, Strom- und Eisenbahnanlagen, auf das Erzbischöfliche Palais und Herz-Jesu-Kloster, auf den Sitz der Salzburger Landesregierung (Chiemseehof), auf das Finanzamt und das Festspielhaus, auf Max Reinhardts Schloss Leopoldskron, auf Gasthäuser und Hotels, auf das jüdische Kleiderhaus ORNSTEIN in der Getreidegasse und so fort – Anschläge, die als wirtschafts- und tourismusschädigend galten, weshalb die österreichische Presse darüber wenig oder gar nichts berichten durfte.

Zu beachten ist, dass sich Attentäter der polizeilichen Verfolgung zumeist durch Flucht über die nahe Staatsgrenze in das Deutsche Reich entziehen konnten. Ungesühnt blieb deshalb auch die Bombenexplosion am 11. Juli 1934 im Stadtteil Mülln, bei der die Passantin Hermine GRAUPNER tödliche Verbrennungen erlitt.

Attentäter, die vor Gericht gestellt werden konnten, hatten allerdings harte Strafen zu erwarten, wenn Menschenleben gefährdet waren. Die beiden Salzburger Nationalsozialisten, die am 19. Mai 1934 den Anschlag auf das Herz-Jesu-Kloster in Liefering bei Salzburg verübt hatten, erhielten Kerkerstrafen von acht und zwölf Jahren, wurden aber schon 1937 während der österreichischen Diktatur begnadigt und aus der Strafanstalt entlassen.

Unter der nationalsozialistischen Herrschaft pflegte das Gericht noch zu verfügen, eine Verurteilung in der Zeit von 1933 bis 1938, während des Verbotes der NSDAP in Österreich, habe als »nicht erfolgt« zu gelten, wenn die Tat »zur Förderung und Unterstützung der NSDAP« begangen worden sei – eine rückwirkende Aufhebung der Urteile wegen Verbrechen nach dem österreichischen Sprengmittel- oder Strafgesetz.

Die politischen Fälle, die Richter Johann LANGER am Landesgericht Salzburg bis März 1938 zu verhandeln hatte, waren ihm vornehmlich auf Antrag des Leiters der Staatsanwaltschaft Dr. Albert Rechfeld zugewiesen worden.1 Während der österreichischen Diktatur waren beide, Rechfeld und LANGER, Funktionäre der »Vaterländischen Front« im öffentlichen Dienst.

Dokumentiert ist mittlerweile, dass die nationalsozialistischen Machthaber mit ehemaligen Repräsentanten der österreichischen Diktatur scharf abrechneten. Auch Staatsanwalt Rechfeld und Richter LANGER wurden im März 1938 »vom Dienst enthoben«, von der Gestapo »in Schutzhaft genommen« und in das KZ Dachau deportiert: registrierter Zugang am 8. April 1938 als »Schutzhäftlinge« Nr. 13937 und 13938 – allerdings nicht zu ihrem Schutz, vielmehr als Opfer der politischen Rache, des Terrors.

Am 7. Oktober 1938 durfte der KZ-Häftling Johann LANGER einen Brief an seine Frau schreiben:


Bitte tröste Dich, meine Hanni, über die Fortdauer der Trennung. Ich denke immer an Euch. Innige Grüße und Küsse …
Hans.

Fünf Tage später war der 60-jährige Häftling tot. Nach der Befreiung Österreichs berichtete ein überlebender KZ-Häftling, dass Oberlandesgerichtsrat Johann LANGER von der SS derart gequält worden sei, dass er am 12. Oktober 1938 »seinem Leben ein Ende machte«.

LANGERS Witwe Johanna, die als Hinterbliebene im befreiten Österreich Anspruch auf Opferfürsorge hatte, starb 79-jährig in Salzburg.

Zu ergänzen ist, dass Staatsanwalt Rechfeld am 17. November 1938 aus dem KZ Dachau entlassen wurde, nach Salzburg zurückkehren konnte und mit seiner Ehefrau und Tochter nach Wien übersiedelte.

Dort starb er 54-jährig am 19. Juli 1940 an Haftfolgen. Seine Witwe Aloisia starb 99-jährig in Wien.

1 Der Strafprozess gegen die im Juli 1934 am Putsch in Lamprechtshausen bei Salzburg beteiligten Nationalsozialisten mit acht Toten fand nicht wie fälschlich angenommen unter dem Vorsitz Johann LANGERS am Landesgericht Salzburg statt, sondern vor dem 6. Senat des Militärgerichtshofes in Linz: Die im November 1934 wegen Aufruhrs zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilten 28 SA-Männer (die als Ortsgrößen und Drahtzieher des Putsches bezeichneten Nationalsozialisten aus Lamprechtshausen befanden sich nicht darunter) wurden noch während der österreichischen Diktatur amnestiert und aus der Haft entlassen.
Unter dem NS-Regime zählten aber einige der an der Niederschlagung des Putsches beteiligten Soldaten des österreichischen Bundesheeres, darunter Franz ROSENKRANZ und Wilhelm JAKOB, zu den Opfern der politischen Rache.

Quellen

  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg
  • KZ-Gedenkstätte Dachau
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 28.08.2008 in Salzburg, Rainerstraße 4

<p>HIER WOHNTE<br />
DR. JOHANN LANGER<br />
JG. 1878<br />
OBERLANDESGERICHTSRAT<br />
DEPORTIERT 1938<br />
DACHAU<br />
TOT 12.10.1938</p>
Johann Langer
Foto: Fam. Mosshammer

Alle Stolpersteine: Rainerstraße 4