Thomas RIEDER, am 26. September 1911 in Saalfelden am Steinernen Meer geboren und katholisch getauft, war das älteste von zehn Kindern des Ehepaares Johanna, geborene Hager, und Thomas Rieder, Bahn- und Streckenwärter der österreichischen Eisenbahn.

Die Familie wohnte in der kleinen Ortschaft Pfaffenhofen an der Eisenbahnstrecke zwischen Zell am See und St. Johann in Tirol.

Thomas RIEDER hatte weder eine abgeschlossene Schulbildung noch einen erlernten Beruf. Erzählt wird, dass er seit seinem achten Lebensjahr als Senner und Melker in den Pinzgauer Bergen arbeiten musste. Er lebte dort in prekären Verhältnissen und blieb unverheiratet.

Er hatte keine Vorstrafen und sein Ruf war einwandfrei, als er im August des Kriegsjahres 1942 – ehe der Einberufungsbefehl eintraf – untertauchte, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Er geriet offensichtlich in eine Notsituation, da er Diebstähle beging.

Seine über acht Monate dauernde Flucht endete mit seiner Festnahme am 17. März 1943 in Leogang.

Thomas RIEDER war Zivilist, weshalb er nicht wie Deserteure der deutschen Wehrmacht vor ein Kriegsgericht gestellt wurde, vielmehr vor das »Sondergericht«, das zu Beginn des Zweiten Weltkrieges an das Landesgericht Salzburg gekoppelt wurde.

Dr. Hans Meyer, Vorsitzender des »Sondergerichtes« Salzburg, verhängte bis zu seiner Pensionierung im Kriegsjahr 1943 sechsundzwanzig Todesurteile.

Sein letztes Opfer war der Pinzgauer Melker Thomas RIEDER, dem mit Akribie nachgewiesen werden konnte, Kleidung, Nahrung inklusive Feldfrüchte im Wert von 226 Reichsmark gestohlen zu haben, während er sich acht Monate lang dem Kriegsdienst – der Beraubung eroberter Länder durch die deutsche Wehrmacht – entzogen hatte.

Dr. Hans Meyer, österreichischer Jurist und nationalsozialistischer Blutrichter, benutzte für sein letztes Todesurteil am 23. Juni 1943 die Kriegsverordnungen gegen »Volksschädlinge« und »gefährliche Gewohnheitsverbrecher«, obendrein die »Verordnung über das Sonderstrafrecht im Kriege«, penibel zitiert § 5, Absatz 1, Ziffer 3: »Zersetzung der Wehrkraft«.

Dazu zählte Kriegsdienstentziehung.

Befremdlich ist, dass in der nationalsozialistischen Öffentlichkeit über die Delikte Kriegsdienstentziehung und Fahnenflucht Schweigen herrschte. Der zum Tode verurteilte Thomas RIEDER wurde allerdings wegen angeblicher Serieneinbrüche in Almhütten als »Pinzgauer Almschreck«, »Volksschädling«, »Gewohnheitsdieb« und dergleichen in der Presse geächtet.

Unerwähnt blieb seine Aussage als Beschuldigter:

Einen Einbruch auf einer Alm habe ich nie gemacht. Ich bin kein Gewohnheitsdieb.

Die nationalsozialistische Presse verlor ebenso wenig ein Wort darüber, dass Thomas RIEDER 31-jährig am 30. Juli 1943 in München-Stadelheim mit dem Fallbeil geköpft wurde – eine Exekution, die der Münchner Oberstaatsanwalt minutiös protokollieren ließ:

Der Hinrichtungsvorgang dauerte vom Verlassen der Zelle an gerechnet 1 Minute 12 Sekunden, von der Übergabe an den Scharfrichter bis zum Fall des Beiles 12 Sekunden.

Im Protokoll wird nicht festgehalten, ob sein Leichnam auf dem Friedhof am Perlacher Forst anonym verscharrt oder in einer Anatomie seziert wurde. Nicht zu übersehen ist aber, wie mit den Schwächsten in der Gesellschaft umgegangen wird: skrupellos.

Thomas RIEDERS Familie hatte vergeblich versucht, eine Begnadigung zu erwirken.

Sein jüngerer Bruder Josef, der im spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Internationalen Brigaden kämpfte und im KZ Dachau inhaftiert war, überstand die Terrorjahre.

Quellen

  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes: Gerichtsakte mit Todesurteil des Sondergerichtes Salzburg (KLs 45/43)
  • Bayerisches Hauptstaatsarchiv München: Vollstreckungsakte (JVA München 576)
  • Archiv der Erzdiözese Salzburg (Matrikenbücher)
  • Salzburger Zeitung 24. 6. 1943, S. 5
  • Innviertler Heimatblatt 2. 7. 1943, S. 7
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 27.09.2022 in Salzburg, Kajetanerplatz 2

<p>THOMAS RIEDER<br />
JG. 1911<br />
KRIEGSDIENST VERWEIGERT<br />
HINGERICHTET 30.7.1943<br />
MÜNCHEN-STADELHEIM</p>
Gedenktafel am Salzburger Landesgericht
Foto: Gert Kerschbaumer

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