Hedwig BISENTZ1, geborene FÜRST, am 11. Juni 1889 in Salzburg geboren, war das jüngste von vier Kindern des jüdischen Ehepaares Elise (Esther), geborene Dick, und Rudolf FÜRST.

Hedwigs Eltern betrieben in Salzburg einen Großhandel mit Kurz-, Wirk- und Galanteriewaren. Das Haus Linzer Gasse 5, wo die Familie auch wohnte, war seit März 1892 Eigentum des Ehepaares FÜRST.

Nach dem frühen Tod des Rudolf FÜRST im Dezember 1892 führte zunächst seine Witwe Elise und ab 1908 ihr älterer Sohn Arthur FÜRST das Geschäft im Haus Linzer Gasse 5.

Elises jüngerer Sohn Joseph lebte seit 1901 in den USA: Joe Fuerst, US-Bürger und agiler Geschäftsreisender, der auch in Europa tätig war und gelegentlich seine Familie in Salzburg besuchte.

Elises Tochter Martha war in Salzburg mit einem Mitarbeiter des Hauses Linzer Gasse 5 verheiratet. Ihr Ehemann Josef Stein starb Ende der 1920er Jahre. Ihre Ehe blieb kinderlos.

Elises Tochter Hedwig war mit dem Zahntechniker David BISENTZ verheiratet. Ihr Sohn Rudolf – mit dem Vornamen seines verstorbenen Großvaters Rudolf FÜRST – kam am 13. August 1913 in Salzburg zur Welt, lebte einige Jahre bei seiner Großmutter Elise und dann bei seinen Eltern in Wien.

Der junge Rudolf fühlte sich aber weder an Salzburg noch an Wien gebunden. Er war 19 Jahre jung, als er 1932 nach Jerusalem reiste und einen guten Job im berühmten Hotel King David antrat.

Nach dem Tod der Elise FÜRST in Salzburg erbten ihre Kinder Arthur, Hedwig und Martha das Haus Linzer Gasse 5.

Unter dem nationalsozialistischen Terrorregime wurde Martha, Vorsitzende des Israelitischen Frauenvereines in Salzburg, aus ihrer Wohnung delogiert. Die krebskranke Frau starb 52-jährig im Juli 1938.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 eruptierte der Judenhass in Salzburg: Geschäfte wurden verwüstet und geplündert, die Auslage des Hauses Linzer Gasse 5 überdies beschossen.

Nach einer mehrwöchigen Haft im KZ Dachau wurde Arthur FÜRST mit seiner Ehefrau Irene und ihren Kindern Elise und Ilse aus Salzburg vertrieben. Ihr Haus wurde umgehend »arisiert«. Fortan war Josef Falkensteiner Herr des Hauses Linzer Gasse 5.

In Wien gelang es jedoch der Familie FÜRST, Schiffspassagen in die USA zu bekommen. In Wien bot sich der Familie außerdem die Gelegenheit, sich von Arthurs Schwester Hedwig und ihrem Ehemann David zu verabschieden – allerdings ein Abschied ohne Wiedersehen.

Arthurs jüngerer Bruder Joe Fuerst konnte bereits am 4. März 1939 in New York seine aus Salzburg vertriebenen Verwandten begrüßen. Ihr neues Domizil war Charleston in South Carolina.

Anzunehmen ist, dass die gerettete Familie in den USA noch einige Zeit Kontakt zu ihren Verwandten im nationalsozialistischen Wien hatte.

Recherchen ergaben, dass Hedwig und David BISENTZ Anfang Juli 1941 aus ihrer Wohnung delogiert und in eine »Sammelwohnung« im 2. Wiener Bezirk Leopoldstadt gepfercht wurde: Novaragasse 40/4.2

Am 20. August 1942 ging ein Transport mit 996 Jüdinnen und Juden, darunter das Ehepaar Hedwig und David BISENTZ, vom Wiener Aspang-Bahnhof in das KZ Theresienstadt.

Hedwig BISENTZ war 53 Jahre alt, als sie am 14. April 1943 in Theresienstadt ermordet wurde. Ort und Tag des Todes ihres Ehemannes David sind bislang unbekannt. Die Nachricht von ihrem gewaltsamen Tod wird nicht vor Kriegsende bei ihren Hinterbliebenen eingetroffen sein.

Im März 1947 reisten Hedwigs Sohn Rudolf BISENZ und seine in Wien geborene Ehefrau Susanne, geborene Hoffmann, die in Jerusalem geheiratet hatten, über Ägypten in die USA.

In Charleston, South Carolina, gab es ein Wiedersehen mit der dort lebenden Familie FÜRST. Wenige Monate darauf starb Rudolfs Onkel Arthur 63-jährig in Charleston.

1949 stellten die Erben Rudolf BISENZ und Irene FÜRST in den USA einen Antrag auf Rückstellung (Restitution) des Hauses Linzer Gasse 5 in Salzburg. Dokumentiert ist, dass die unter Zwang verkaufte Liegenschaft nicht restituiert wurde, die Ansprüche jedoch zum Teil in einem außergerichtlichen Vergleich finanziell abgegolten werden konnten.

Bekannt ist außerdem, dass Rudolf BISENZ mit seiner Familie in New York lebte und ein Unternehmen für chemische Reinigung leitete. Er zog nach dem Tod seiner Ehefrau Susanne im Jahr 2002 zu seiner im US-Bundesstaat Washington lebenden Tochter Evelyn Johnson.

Am 19. Juni 2010 starb Rudolf BISENZ 96-jährig in Kirkland.

Das Grab des Ehepaares Susanne und Rudolf befindet sich im Mount Lebanon Cemetery in Glendale, Queens, New York.

1 Schreibweisen des Familiennamens: BISENTZ (David und Hedwig), BISENZ (Sohn Rudolf)

2 Seit Mai 2016 liegt vor dem Haus Novaragasse 40 ein »Stein der Erinnerung«:
»Zum Gedenken an 144 jüdische Frauen und Männer und sieben Kinder, die in diesem Haus von den Nazis in Sammelwohnungen gepfercht und danach deportiert und ermordet wurden.«

Quellen

  • Israelitische Kultusgemeinden Linz, Salzburg und Wien
  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg (Grundbuch EZ 565)
  • Landesarchiv Wien (Polizeimelderegister)
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und Yad Vashem (Shoah-Datenbank)
  • Albert Lichtblau: »Arisierungen«, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Salzburg, Wien-München 2004, S. 164f.
  • Geduldet, geschmäht und vertrieben. Salzburger Juden erzählen, Hg.: Daniela Ellmauer, Helga Embacher und Albert Lichtblau, Salzburg 1998, S. 53-70
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 27.09.2022 in Salzburg, Linzer Gasse 5

<p>HIER WOHNTE<br />
HEDWIG BISENTZ<br />
GEB. FÜRST<br />
JG. 1889<br />
HAUS ENTEIGNET<br />
DEPORTIERT 20.8.1942<br />
THERESIENSTADT<br />
ERMORDET 14.4.1943</p>
Linzer Gasse 5: Geschäft der Familie Fürst. Schaufenster mit Schussloch am 9. November 1938
(Foto: Stadtarchiv Salzburg/Fotoarchiv Franz Krieger) »Stein der Erinnerung« vor dem Haus Novaragasse 40 in Wien Leopoldstadt

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