Alma ROSÉ, geboren am 3. November 1906 in der Haupt- und Residenzstadt Wien, war das zweite und jüngste Kind des Ehepaares Justine, geborene Mahler, und Arnold ROSÉ.

Die beiden ließen ihre Tochter Alma am 9. Februar 1907 in der Reformierten Stadtkirche evangelisch taufen (Helvetisches Bekenntnis). Taufpatin war ihre Tante Alma Mahler, Gattin des Komponisten und Hofoperndirektors Gustav Mahler.

Alma ROSÉ, von ihrem Vater Arnold zur Violinvirtuosin ausgebildet, gab unter seiner Leitung am 16. Dezember 1926 im Wiener Musikverein ihr Debüt:

Alma Rosé, zugleich Gustav Mahlers Nichte und Tochter von Arnold Rosé, diesem Hort alles Wiener Musizierens, ist gestern als Geigerin aufgetreten, Geigerin von hohem Rang und schönster Zukunft.
Die Stunde, 18. Dezember 1926, S. 8

In der öffentlichen Wahrnehmung blieb die Geigerin Alma ROSÉ Tochter und Nichte »großer Männer«. Außerdem heiratete sie 23-jährig am 16. September 1930 im Wiener Rathaus einen »Großen« ihrer Kunstgattung, den internationalen Stargeiger Váša Příhoda, einen tschechoslowakischen Staatsbürger. Ihre an Turbulenzen reiche Ehe scheiterte jedoch nach wenigen Jahren, wurde im März 1935 geschieden.

Im politischen Wendejahr 1933 gründete Alma ROSÉ – damals noch als Ehefrau – ihre Wiener Walzermädeln, ein Frauenorchester, das bei seinem Debüt im Varieté Renz »wienerisch leichtbeschwingte Weisen« spielte – eine von den männlichen Stargeigern abweichende künstlerische Richtung, die Alma ROSÉ zu ihrer Selbstverwirklichung einschlug.

Sie vermochte sich allerdings nicht zur Gänze von ihren »großen Männern« zu lösen, da sie auch Einladungen ihres Vaters annahm, gemeinsam mit dem aus älteren Herren bestehenden Rosé-Quartett aufzutreten, beispielsweise am 9. Juni 1936 im Wiener Konzerthaus und am 30. August 1936 im Großen Saal des Mozarteums:

Das bekannte Töchterchen Alma, die elegante und virtuose Geigerin, ergänzt das Quartett der Herren Rosé, Stwertka, Fischer und Buxbaum.
Salzburger Chronik, 31. August 1936, S. 8

Es war Alma ROSÉs einmaliger Auftritt und der letzte des »altehrwürdigen« Rosé-Quartetts bei den Salzburger Festspielen.

Da Alma ROSÉ einen tschechischen Reisepass besaß, hätte sie schon im März 1938 das nationalsozialistische Wien ungehindert verlassen können. Sie blieb aber, nicht zuletzt wegen ihrer schwer kranken Mutter, einer Schwester Gustav Mahlers, die am 22. August 1938 in Wien starb.

Im Herbst 1938 reiste Alma ROSÉ nach London, um die Flucht ihres in Wien unter Depressionen leidenden Vaters Arnold in die Wege zu leiten und ihm eine Existenzgrundlage zu verschaffen. Dank der Initiative Alma ROSÉs erreichte ihr Vater 75-jährig am 1. Mai 1939 das rettende Exil.

In London gelang es den beiden, das Rosé-Quartett wiederzubeleben. Da Alma ROSÉ jedoch in England keine Arbeitserlaubnis als Solistin erhielt, reiste sie Ende 1939 nach Holland, um ein finanziell lohnendes Engagement anzutreten und ihren Vater in London zu unterstützen. Nach dem deutschen Angriff auf Holland im Mai 1940 saß Alma ROSÉ in der Falle.

Ihre Flucht in die Schweiz scheiterte Ende 1942 im besetzten Frankreich. Sie wurde in Dijon verhaftet und in Drancy bei Paris interniert. Am 18. Juli 1943 ging der Transport Nr. 57 in Güterwaggons mit 1.000 jüdischen Frauen, Männern und Kindern, darunter Alma ROSÉ, nach Auschwitz.

Im Frauenlager von Auschwitz-Birkenau wurde Alma Rosé als Nummer 50381 registriert und von der Oberaufseherin Maria Mandl – »Bestie« aus Münzkirchen in Oberösterreich – ihrem »Mädchenorchester« zugeordnet. Alma ROSÉ, bei ihrem Debüt anno 1926 im Wiener Musikverein als Geigerin von hohem Rang und schönster Zukunft gefeiert, war an ihrem Lebensende Geigerin und Dirigentin im Vernichtungslager Auschwitz.

Am 4. April 1944 starb Alma ROSÉ 37-jährig an einer Vergiftung, die sie sich durch verdorbene Konserven zugezogen hatte.

Die überlebende Cellistin Anita Lasker-Wallfisch gedachte Alma ROSÉ mit den Worten:

An ihrer Wiege stand Gustav Mahler, an ihrer Bahre Josef Mengele.

Quellen

  • Israelitische Kultusgemeinde Wien
  • Archiv der Salzburger Festspiele
  • Österreichisches Biographisches Lexikon
  • Richard Newman: Alma Rosé, Wien 1906 – Auschwitz 1944. Eine Biografie, Bonn 2003
  • Bernadette Mayrhofer, Fritz Trümpi: Orchestrierte Vertreibung. Unerwünschte Wiener Philharmoniker. Verfolgung, Ermordung und Exil, Wien 2014
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 17.08.2020 in Salzburg, Max-Reinhardt-Platz

<p>HIER WIRKTE<br />
ALMA ROSÉ<br />
JG. 1906<br />
VIOLINISTIN<br />
FLUCHT 1939<br />
ENGLAND, HOLLAND<br />
1942 FRANKREICH<br />
VERHAFTET 1942<br />
ERMORDET 4.4.1944<br />
AUSCHWITZ</p>
Alma Rosé als junges Mädchen um 1914
Foto: Gustav Mahler–Alfred Rosé Collection, Music Library, Western University, London, Canada Alma und Arnold Rosé, Datum unbekannt
Foto: Gustav Mahler–Alfred Rosé Collection, Music Library, Western University, London, Canada Die Wiener Walzermädeln (unten: Alma Rosé stehend) 1933
Fotos: Gustav Mahler–Alfred Rosé Collection, Music Library, Western University, London, Canada Arnold und Alma Rosé nach ihrer Flucht aus Wien
Foto: Gustav Mahler–Alfred Rosé Collection, Music Library, Western University, London, Canada Alma Rosé um 1941
Foto: Gustav Mahler–Alfred Rosé Collection, Music Library, Western University, London, Canada Salzburger Festspiele

Alle Stolpersteine: Max-Reinhardt-Platz