Im Hotel Zum Goldnen Schiff nächst der Sankt Michaelskirche am Residenzplatz fanden k. u. k. Oberstleutnant Ludwig KIESLER und seine Gattin Klara, die 1902 in der Garnisonsstadt Troppau des Kronlandes Österreichisch-Schlesien getraut wurden, ihr erstes Salzburger Domizil. Hier waren beide seit Juli 1915 gemeldet.

Im Ersten Weltkrieg diente der Berufsoffizier Ludwig KIESLER, Träger des Militär-Verdienstkreuzes, im Galizischen Infanterie-Regiment Nr. 40 der k. u. k Armee. Er beendete seine Militärkarriere als Oberstleutnant, wurde demnach weder Oberst noch Regimentskommandant. Lag es an seinem jüdischen Glauben?

Sein Cousin Dr. Alfred Marill, Rechtsanwalt in Wien, der 1938 in die USA flüchtete, berichtet im Rückblick:

Mein Cousin Ludwig Kiesler, ein vielfach ausgezeichneter Armeeoffizier, wurde nur deshalb nicht Mitglied des Generalstabs, weil er sich weigerte, zum römisch-katholischen Glauben zu konvertieren.

Nach dem Ersten Weltkrieg zogen Klara und Ludwig KIESLER, Oberstleutnant in Ruhe, in das Haus Kaigasse 20, genannt Nicolaistöckl. Es ist bemerkenswert, dass das Ehepaar sich damals nicht dazu gezwungen sah, im Meldeamt der Stadt Salzburg ein Religionsbekenntnis anzugeben.

Dieses fehlt in der eigens dafür vorgesehenen Rubrik auf dem Meldeschein. Es gab außerdem wenige Jüdinnen und Juden, die keinen Anfeindungen des 1919 gegründeten österreichischen Antisemitenbundes ausgesetzt waren: Der Name KIESLER steht jedenfalls nicht im »Judenkataster«, in jenem Verzeichnis des auf Boykott und Vertreibung der Juden zielenden Eisernen Besen, einer rassistischen Zeitschrift, die seit 1923 von der Ortsgruppe Salzburg des österreichischen Antisemitenbundes herausgegeben wurde.

Spätestens Mitte der 1930er Jahre war die Religionszugehörigkeit des Ehepaares KIESLER auch in Salzburg bekannt, wie aus der Meldekartei der Polizeidirektion hervorgeht: Auf beiden Meldekarten, die anhand vorgelegter Dokumente von amtlicher Seite ausgefüllt wurden, steht nun das Religionsbekenntnis »israelit.« (israelitisch) und daneben der unter dem NS-Regime in Klammer hinzugefügte Vermerk gemäß den Nürnberger Rassengesetzen: »Volljude« beziehungsweise »Volljüdin«.

Ludwig KIESLER, geboren am 13. Juni 1865 in Kolomea (Galizien), und Klara, geborene Baron, geboren am 6. Jänner 18791 in Lemberg (Galizien, Österreich-Ungarn, hernach Polen, dann Ukraine), die ein Viertel Jahrhundert in Salzburg lebten, mussten am 14. Dezember 1939 ihre Wohnung im Haus Kaigasse 20, 2. Etage, räumen – Nutznießer ihrer Vertreibung war der Gestapo-Beamte Josef Schneidinger aus Salzburg – und nach Wien flüchten.

Das Ehepaar, das dort im 1. Bezirk, Köllnerhofgasse 6/8 wohnte, wurde am 13. August 1942 mit dem »Transport 35 Zug Da 501« nach Theresienstadt deportiert.
Der 77-jährige Ludwig KIESLER wurde am 28. Jänner 1943 in Theresienstadt ermordet.

Die 63-jährige Witwe Klara KIESLER wurde am 18. Dezember 1943 von Theresienstadt – im »Transport Ds« die ebenfalls aus Salzburg vertriebene Offizierswitwe Helene FRÖHLICH – nach Auschwitz deportiert, dort ermordet.

1 Geburtsjahr 1871 laut Shoah-Datenbanken, 1879 laut Wiener und Salzburger Melderegister

Quellen

  • Israelitische Kultusgemeinde Wien
  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg und Wien
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 21.07.2010 in Salzburg, Kaigasse 20

<p>HIER WOHNTE<br />
KLARA KIESLER<br />
GEB. BARON<br />
JG. 1871<br />
DEPORTIERT 1942<br />
THERESIENSTADT<br />
1943 AUSCHWITZ<br />
ERMORDET</p>
Meldescheine des Ehepaares Ludwig & Klara Kiesler

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