Die Salzburger Glockengießerei Oberascher befand sich seit 1919 im Gewerbegebiet Kasern, das seit 1939 ein Stadtteil von Salzburg ist.
Im Jahr 1939, somit unter dem NS-Regime, wurde die Glockengießerei Oberascher zu einem »kriegswichtigen« Rüstungsbetrieb – Produktion von Geschossen und Granaten – umfunktioniert.
»Betriebsführer« war der Deutsche Friedrich Thomas – »ein übler Knabe« laut Zeitzeugen.

Bekannt ist mittlerweile, dass der Schlosser Leopold HOCK und der Buchhalter Ferdinand LANG, die im Rüstungsbetrieb Oberascher gearbeitet hatten, wegen Widerstandes vom »Volksgerichtshof« zum Tode verurteilt und in München-Stadelheim hingerichtet wurden.

Zu den bislang kaum bekannten Terroropfern zählen der im Rüstungsbetrieb als Wachmann tätig gewesene Fleischhauer Friedrich FIMBERGER, der im KZ Dachau ermordet wurde, und der Küchenchef Viktor TODERO, der wegen seiner homosexuellen Orientierung verfolgt und am 23. Juni 1944 im KZ Mauthausen ermordet wurde.

Hinlänglich bekannt ist, dass in der Rüstungsindustrie ausländische Arbeitskräfte als Ersatz für die zum Kriegsdienst eingezogenen Männer und überdies zwecks Reduktion der Produktionskosten beschäftigt waren.
Dokumentiert ist außerdem, dass auch Kriegsgefangene, die im Gegensatz zu ausländischen »Zivilarbeitern« im Polizeimelderegister der Stadt Salzburg nicht aufscheinen, bei Oberascher Zwangsarbeit zu verrichten hatten, obschon der »Arbeitseinsatz« von Kriegsgefangenen in einem Rüstungsbetrieb gegen das Völkerrecht – Haager Landkriegsordnung (1907) und Genfer Konvention (1929) – verstieß.

Aus archivierten Akten des »Sondergerichtes« Salzburg geht hervor, dass im Dezember 1941 vier französische Kriegsgefangene aus dem Rüstungsbetrieb Oberascher flüchten konnten. Dabei halfen ihnen ein Hilfsarbeiter ungarischer Herkunft und drei junge Frauen aus Salzburg. Ihre Hilfe bestand unter anderem darin, die Kriegsgefangenen mit Lebensmitteln und Zivilkleidern zu versorgen.

Ihre Hilfe galt unter dem NS-Regime als strafbares Delikt: »verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen« und »Fluchtbegünstigung« oder »Fluchthilfe«.

Im April 1942 wurde der ungarische Fluchthelfer Peter Kurjak, Jahrgang 1895, durch das »Sondergericht« zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Sein weiteres Schicksal ist bislang ungeklärt. Die wegen desselben Deliktes angeklagten Salzburgerinnen erhielten geringere Strafen. Sie überlebten die Terrorjahre. Laut Gerichtsakten befanden sich zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung zwei der vier geflüchteten Kriegsgefangenen wieder in Haft. Anzunehmen ist, dass sie vor das Kriegsgericht der Division Nr. 188 gestellt wurden. Das Schicksal der vier Kriegsgefangenen ist aber mangels exakter Daten noch unbekannt.

Seit dem Kriegsjahr 1942 rekrutierte der Rüstungsbetrieb Oberascher vorwiegend junge Frauen und Männer, die aus den von der Deutschen Wehrmacht und SS eroberten und ausgebeuteten Gebieten der Sowjetunion verschleppt worden waren: Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die auf ihrer linken Brustseite das Kennzeichen »OST« zu tragen hatten und wie Strafgefangene in mehreren bewachten Baracken einquartiert waren.

Aus Dokumenten geht hervor, dass vier »Ostarbeiter« des Rüstungsbetriebes Oberascher, die nach misslungener Flucht einige Wochen im Polizeigefängnis Salzburg inhaftiert waren, am 20. August 1943 im Hof des Rüstungsfabrik zwecks Abschreckung vor den Augen der Belegschaft durch die Gestapo am Galgen erhängt wurden:

• Alexander DUBINA, geboren am 24. Oktober 1926 in Rowinki (Rowenki, Ukraine)

• Rawis PLACHE, geboren am 2. März 1925 in Rowinki (Rowenki, Ukraine)

• Wladimir SLESAROW, geboren am 1. Jänner 1924 in Kosobelowa (Ort nicht zu identifizieren, vermutlich im ukrainischen Verwaltungsbezirk Luhansk oder Lugansk, Woroschilowgrad in der Sowjetzeit)

• Leonid STEPANOW, geboren am 1. Mai 1922 in Charkow (Charkiw, Ukraine)

Demnach waren die vier »Ostarbeiter« bei ihrem gewaltsamen Tod am 20. August 1943 erst 17 bis 21 Jahre alt – oder noch jünger, falls sie bei ihrer Verschleppung aus der Ukraine um ein bis drei Jahre älter gemacht wurden, was damals Usus war.
Fragwürdig ist auch die Übertragung ihrer Namen von der kyrillischen in die deutsche Schreib- oder Kurrentschrift. Die Identität der Opfer kann folglich nicht immer zweifelsfrei aus nationalsozialistischen Dokumenten erschlossen werden.

Am 22. Juli 1947, nach der Befreiung Salzburgs durch amerikanische Truppen, erstellte die Bundespolizeidirektion Salzburg anhand von Zeugenaussagen einen umfassenden Bericht über den Terror der Gestapo in Salzburg.
Darin werden die Verantwortlichen für den Mord an den »Ostarbeitern« im Rüstungsbetrieb genannt: Dr. Hubert Hueber, Chef der Gestapo Salzburg, der die Weisung zur Hinrichtung erteilt hatte, und die Gestapo-Beamten Dr. Anton Zinth, Fritz Lackner, Konrad Willam, Johann (Ivo) Praxmarer und Georg König, die »für die gesicherte Durchführung der Exekution der 4 ausländischen Arbeiter Sorge zu tragen bzw. den Vollzug der Liquidierung zu überwachen« hatten.

Bemerkenswert ist noch, dass daran auch ein Vertreter der NSDAP, Johann Hofer, Leiter der Ortsgruppe Itzling, als »Ehrengast« teilnahm.

Weitere Terroropfer des Rüstungsbetriebes werden in besagtem Polizeibericht nicht erwähnt. Anhand des Polizeimelderegisters lässt sich allerdings die Identität von »Ostarbeitern« des Rüstungsbetriebes Oberascher ermitteln, die eine Zeit lang im Polizeigefängnis Salzburg inhaftiert waren und in das KZ Dachau deportiert wurden (die in Dachau registrierten Namen und Daten sind nicht immer mit jenen in der Polizeimeldekartei der Stadt Salzburg identisch):

• Wladimir HUNTSCHENKO, geboren am 10. Jänner 1926 in Schewtschenko (Bezirk Rowenki), Zugang am 10. April 1943 in Dachau, registriert als »Schutzhäftling R« (Russe) Nr. 47068, Tod am 3. März 1944 in Dachau

• Wasil WASILENKO (oder WASILTSCHENKO), geboren am 8. Mai (Oktober) 1918 in Kiew, Zugang am 4. September 1943 in Dachau, registriert als »Schutzhäftling R« (Russe) Nr. 50693, Tod am 22. September 1944 in Dachau

• Nikolaj PRILIPA, geboren am 5. Mai 1924 in Rowinka (Rowenki), Zugang am 4. September 1943 in Dachau, registriert als »Schutzhäftling R« (Russe) Nr. 50690, Zugang am 26. September 1944 im KZ Buchenwald, am 30. September 1944 im KZ Mittelbau Dora, am 26. Jänner 1945 im Arbeitslager Emmi, einem Nebenlager von Mittelbau Dora, weiteres Schicksal bislang unbekannt (am 4. April 1945 wurden die noch lebenden Häftlinge auf einem Todesmarsch in das KZ Bergen-Belsen getrieben, Überlebende von britischen Truppen befreit)

Noch ungeklärt sind die Schicksalsverläufe weiterer Rüstungsarbeiter, zum Beispiel von Petro Kunjasowe, Anton Kowaltschuk, Peter Kurjak, Gendai Luschi, Nikolaj Pachatow und Osman Temirow, die im Polizeigefängnis Salzburg inhaftiert waren.

Gewiss ist allerdings, dass eine »Ostarbeiterin« des Rüstungsbetriebes in Kasern wenige Tage vor der Befreiung Salzburgs erschossen wurde:
Die am 19. November 1926 geborene Halina STASCHKO starb 18-jährig am 1. Mai 1945 an ihren Schussverletzungen im Landeskrankenhaus Salzburg.

Quellen

  • Stadtarchiv Salzburg
  • KZ-Gedenkstätte Dachau
Autor: Gert Kerschbaumer
Recherche: Thomas Weidenholzer

Stolperstein
verlegt am 24.10.2014 in Salzburg, Söllheimer Straße 16

<p>WLADIMIR SLESAROW<br />
JG. 1924<br />
UKRAINE<br />
ERMORDET 20.8.1943<br />
KASERN</p>
Kennzeichnung der »Ostarbeiter«
Foto: Stadtarchiv Salzburg NS-Propaganda
Foto: Stadtarchiv Salzburg

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