Josefine »Fini« SCHNEIDER, geboren am 8. Juli 1906 in Wien, war eine Tochter des jüdischen Ehepaares Emma, geborene Schwitzer, und David Schneider.
Ihr Vater war Beamter eines Staatsbetriebes in Wien. Ihre Mutter starb im Jahr 1927, bestattet in der israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs.

»Fini« war Verkäuferin. Sie arbeitete seit September 1934 im Kleiderhaus L. Ornstein in Salzburg, Getreidegasse 24.1
Aus einem Polizeibericht geht hervor, dass »Fini« ihrem Freund, der 1935 aus politischen Gründen verfolgt wurde, in ihrer Salzburger Wohnung Unterschlupf gewährt hatte.
Ihr Freund Franz Riedler, ein Tischlergehilfe, war einer von zwölf Antifaschisten, die während der österreichischen Diktatur in Salzburg eine illegale kommunistische Organisation aufgebaut und Flugblätter der »Roten Hilfe« verbreitet hatten. Franz Riedler befand sich deswegen zwei Monate in Haft.

Bekannt ist außerdem, dass Franz Riedler während des spanischen Bürgerkriegs in den Internationalen Brigaden gegen den Franco-Faschismus kämpfte, dabei schwer verwundet wurde und am 8. Oktober 1937 in der spanischen Stadt Murcia starb.

Seine Freundin Josefine, die wegen ihrer politischen Gesinnung »rote Fini« genannt wurde, war eine Zeit lang untergetaucht. Sie galt als »polizeibekannt« und erhielt schließlich in Salzburg Aufenthaltsverbot. In dieser Phase der politischen Verfolgung arbeitete Josefine SCHNEIDER als Verkäuferin in Graz, im jüdischen Kaufhaus S. L. Schwarz (Walter SCHWARZ leitete die Salzburger Filiale des Kaufhauses S. L. Schwarz), und zuletzt in Innsbruck, im jüdischen Kaufhaus Bauer & Schwarz (Dora, eine Tochter des Firmenchefs, war die Ehefrau von Walter SCHWARZ in Salzburg).

Auffallend ist, dass Josefine SCHNEIDER noch unter dem NS-Regime aus politischen Gründen verfolgt wurde. Ihre Religion, die im Polizeibericht aufscheint, bekam aber mehr Gewicht. Die am 11. Mai 1938 in Innsbruck verhaftete Jüdin wurde am 24. Februar 1939 in das Frauen-KZ Lichtenburg deportiert und von dort am 15. Mai 1939 in das Frauen-KZ Ravensbrück überstellt (Häftlingsnummer 1290 bzw. 580).
Anfänglich war Josefine SCHNEIDER noch voller Hoffnung, ein Visum für die Schweiz zu erhalten und somit freizukommen, wie aus ihrem Brief an ihren Vater David Schneider vom 15. März 1939 hervorgeht:

»Lieber Vater! … ich danke Dir auch sehr, daß Du alle nötigen Schritte so gut und rasch getan hast. […]
Es ist furchtbar, daß ich Euch allen so zur Last fallen muß […]
Küsse Fina«

Gewiss ist, dass Josefine SCHNEIDER drei Jahre lang Zwangsarbeit und Qualen im Frauen-KZ Ravensbrück durchzustehen vermochte. Eine schwere Erkrankung ist nicht dokumentiert.

Dennoch zählte sie zu den rund 1.600 Häftlingen, darunter die Wiener Sozialistin und Jüdin Käthe Leichter, die im Frühjahr 1942 im Zuge der »Sonderbehandlung 14f13«2 in der Tötungsanstalt Bernburg an der Saale vergast wurden.
Der 7. April 1942 gilt als offizieller Todestag der 35-jährigen Josefine SCHNEIDER. Die Aschenurne wurde nach Wien geschickt und am 26. Juni 1942 in der israelitischen Abteilung des Zentralfriedhofs beigesetzt (Tor IV/18a/20/40).

Zum Zeitpunkt ihrer Bestattung war ihr verwitweter Vater noch am Leben. Er befand sich in einer Wiener Sammelwohnung für Juden.
Der 70-jährige David Schneider wurde aber bald darauf, am 10. Juli 1942, nach Theresienstadt deportiert und am 21. September 1942 nach Treblinka verlegt, dort ermordet.
Josefines Geschwister Marie, Viktor und Georg überlebten die Terrorjahre. Josefines Bruder Viktor Schneider war als Angehöriger der 2e Division Blindée im Kriegsjahr 1944 aktiv an der Befreiung Frankreichs beteiligt, zuletzt an der Besetzung der Residenz Adolf Hitlers am Obersalzberg bei Berchtesgaden.

Wir danken Gisela Hormayr (Innsbruck) und Jörg Zedler (Regensburg) für ihre Informationen über Josefine SCHNEIDER und ihre Familie, und speziell Josefines Neffen Jean-Martin Schneider aus Lyon für seine liebenswürdigen Worte:

Dear Mr Kerschbaumer,

Thank you for your messages and the information on how this memorial action came to being, and the persons behind it. Thank you again for all your work and dedication. As you have kindly offered for me to add a few words to Josefine’s biography, I would like to submit the following, which I hope is fitting to the general spirit of the memorial.

Fina’s brother Victor, my father, escaped from French camps and Spanish prisons to join the Free French in North Africa, and fight with them to liberate France, which has from then become our country. His wife Lisi, my mother, saved her 3 children and herself from deportation, with courage and determination in times of great peril. My father would have been proud of this memorial to his sister. To me it represents a homage to all members of my family, especially my parents, who in their own way resisted oppression, discrimination and injustice. To all who made this possible, I wish to express our gratitude.

Martin Schneider

1 Das 1913 von Luser N. Ornstein im Haus Getreidegasse 24 eröffnete Kleiderhaus war im Februar 1934 Ziel eines Terroranschlags illegaler Nationalsozialisten.
as Haus wurde im Jahr 1938 von Kurt Thalhammer »arisiert«, 1948 an die vertriebenen Eigentümer Ornstein & Neuwirth restituiert, 1949 wieder eröffnet und 1962 verkauft. Max NEUWIRTH, ein Halbbruder des Geschäftsgründers Luser N. Ornstein, wurde im KZ Dachau ermordet.2 »Sonderbehandlung 14f13«: »14« = Inspekteur der Konzentrationslager, »f« = Todesfälle, »13« = Vergasung in Tötungsanstalten der »T-4«-Organisation.
In der »T-4«-Tötungsanstalt Bernburg an der Saale wurde auch der Jude Hermann RUBENKES vergast, der in Salzburg wegen seiner kommunistischen Aktivität verfolgt worden war.

Quellen

  • Israelitische Kultusgemeinde Wien
  • Landesarchiv Salzburg
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 02.07.2014 in Salzburg, Getreidegasse 24

<p>HIER ARBEITETE<br />
JOSEFINE SCHNEIDER<br />
JG. 1906<br />
DEPORTIERT 24.2.1939<br />
RAVENSBRÜCK<br />
ERMORDET 7.4.1942<br />
BERNBURG/SAALE</p>
Brief von Josefina »Fina« Schneider aus dem Frauen-KZ Ravensbrück Brief von Josefina »Fina« Schneider aus dem Frauen-KZ Lichtenburg Memorial für Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Foto: Stadtarchiv

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