Johann PICHLER, geboren am 15. November 1899 in Pachersdorf bei Linz, war Zeuge Jehovas, Hilfsarbeiter und verheiratet (von seiner Ehefrau Cäcilia getrennt lebend).

Seit 1928 wohnte er bei der Familie Greisberger in Gnigl bei Salzburg und zuletzt im Salzburger Stadtteil Sam, Bachwinkelweg 10 (das Haus gehörte der Familie Reiter-Greisberger).

Der 39-jährige Johann PICHLER und der 42-jährige Josef WEGSCHEIDER, beide Zeugen Jehovas, die Gottes Gebote und speziell das fünfte »Du sollst nicht töten« zu beherzigen wussten und daher den Kriegsdienst verweigerten, waren die ersten Opfer der Militärjustiz in Salzburg, Justizgebäude, Kajetanerplatz 2.

Das Kriegsgericht des Kommandeurs der Ersatztruppen XVIII (Kriegsgerichtsrat Hans Hübner als Richter) hatte vergeblich versucht, die beiden Zeugen Jehovas umzustimmen.
Ihr Glaube war jedoch stärker als ihre Angst vor dem Tod.

Die zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zur deutschen Wehrmacht einberufenen und gemäß »§ 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung« zum Tode verurteilten »Schützen der Reserve« Johann PICHLER und Josef WEGSCHEIDER wurden am Morgen des 26. September 1939, exakt um 6 Uhr 40, auf dem Militärschießstand in Glanegg bei Salzburg erschossen – jedoch erst nach unvorhergesehenen Komplikationen:

[…] Die Hinrichtung verlief allerdings nicht so, wie sich das die Befehlshaber vorgestellt hatten.
Die beiden [Pichler und Wegscheider] erklärten, dass es unnötig sei, ihnen die Augen zu verbinden. Doch es wurde trotzdem getan. Als schließlich der Schussbefehl gegeben wurde, weigerten sich die Soldaten zu schießen.
Erst auf die nochmalige Aufforderung hin und nachdem den Soldaten eindringlich vor Augen geführt wurde, dass sie selbst mit disziplinarischen Strafen zu rechnen hätten, wurden die beiden unschuldigen Männer von den Kugeln niedergestreckt.

Am 28. September 1939 wurden die beiden ermordeten Zeugen Jehovas unter reger Anteilnahme ihrer Glaubensfamilie auf dem Salzburger Kommunalfriedhof beerdigt: eine Trauer- und Glaubensbekundung bibelfester Menschen, die trotz des Einschreitens der Gestapo standhaft blieben, was unvermeidlich öffentliches Aufsehen hervorrufen musste, wie aus dem Gestapo-Bericht hervorgeht:

Neben den Angehörigen der beiden Toten [Pichler und Wegscheider] nahmen etwa 150 Personen an der Beerdigung teil.
Die Teilnehmer schlossen sich den Särgen, die aus der Leichenhalle direkt zu den Gräbern getragen wurden, in einem Zuge an.
Etwa 90 % der Trauergäste bestanden aus Frauen, die auffallend viele Kinder mit sich genommen hatten.
Der Bibelforscher Alois Harasek hatte die Absicht, an den Gräbern ein Gebet zu sprechen und von den Anwesenden drei geistliche Lieder, die er dem Jehova-Gesangsbuch entnommen hatte, singen zu lassen, was ihm aber untersagt wurde. Eine demonstrative Haltung nahm der Bibelforscher Rudolf Stonig an, indem er mit lauter Stimme rief: ‚Ihr habt Gott mehr gehorcht als den Menschen.’ […]

Die Gestapo deutete die öffentliche Glaubensbekundung der Zeugen Jehovas, deren zentrales Anliegen die Einhaltung der Gebote Gottes ist, als eine gegen die Staatsmacht gerichtete Demonstration.
Selbst die Kriegsdienstverweigerung der Betroffenen war rein religiös begründet, womit sie nicht weniger widerständig als politisch motivierte Aktivisten waren, nur eben anders.

Respekt vor dem anderen als anderen war jedoch von Seiten der Herrschafts- und Kriegerklasse nicht zu erwarten. Die Komplikationen bei der Exekution in Glanegg und die Bekundungen des Glaubens auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg waren ausschlaggebend für die Verlegung der Hinrichtungen in deutsche Strafgefängnisse.

Im Januar 1940 wurden sechs Zeugen Jehovas aus dem Bundesland Salzburg, davon vier aus der Landeshauptstadt, in Berlin-Plötzensee vom Scharfrichter geköpft: Johann Ellmauer aus Thalgau, Gottfried Herzog aus Strasswalchen, Franz MITTENDORFER aus Salzburg, Landstraße 15, Franz REITER aus Salzburg, Auerspergstraße 48, Johann und Matthias Nobis aus Salzburg, Morz und Gnigl (für die in St. Georgen geborenen Brüder Nobis wurden bereits am 19. Juli 1997 vor ihrem Heimathaus in St. Georgen Stolpersteine verlegt).

Mittlerweile sind alle acht Zeugen Jehovas aus dem Bundesland Salzburg, die aus religiösen Motiven den Kriegsdienst verweigerten und dafür zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, rehabilitiert – nicht zuletzt dank der Initiative ihrer seit 2009 in Österreich staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft.

Bemerkenswert ist noch, dass das Militärkommando Salzburg auf Anregung der damaligen Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die Patin des »Stolpersteins« für den Kriegsdienstverweigerer Johann PICHLER ist, am 30. September 2011 in Glanegg bei Salzburg einen Gedenkstein für die Opfer des NS-Terrors, für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aufstellen ließ.

Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 22.06.2009 in Salzburg, Bachwinkelweg 10

<p>HIER WOHNTE<br />
JOHANN PICHLER<br />
JG. 1899<br />
ZEUGE JEHOVAS<br />
KRIEGSDIENST VERWEIGERT<br />
ERSCHOSSEN 26.9.1938<br />
IN GLANEGG</p>
Johann Pichler
Foto: Archiv Zeugen Jehovas, Heidi Gsell Kriegsgericht Wehrkreis XVIII Salzburg: Meldung an Wehrmachtsauskunftsstelle

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