Franz PÖTTINGER, geboren am 8. Jänner 1907 in der Gemeinde Neukirchen an der Enknach bei Braunau am Inn, war das zweite von vier Kindern des katholischen Ehepaares Maria, geborene Schießl, und Franz Pöttinger, der Bäckergeselle war.

Die Familie zog im Jahr 1923 nach Salzburg und wohnte in der Altstadt, im Haus einer Bäckerei, wo der Vater bis zu seinem Tod im Juni 1930 arbeitete.
Sein Sohn Franz jun., der das Müllerhandwerk erlernte, aber nur kurze Zeit ausüben konnte, war Bauarbeiter in der Stadt und in Landgemeinden, während der Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren jedoch längere Zeit arbeitslos.

Seit Februar 1936 wohnte er als Untermieter im Anbau des Gasthauses Weiserhof – ein beliebter Treffpunkt von Arbeitern und Eisenbahnern in der Nähe des Hauptbahnhofs.

Bemerkenswert ist dabei, dass PÖTTINGER, abgesehen von einer kurzen Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft der Bauarbeiter, keiner marxistischen oder sonstigen legalen Partei angehörte, auch nicht zu den illegalen Aktivisten der Revolutionären Sozialisten (RSÖ) oder der Kommunistischen Partei (KPÖ) zählte, die unter der österreichischen Diktatur strafrechtlich verfolgt wurden. Er galt daher unter der NS-Herrschaft als politisch nicht vorbelastet.

PÖTTINGER war seit dem »Anschluss« 1938 als Bauarbeiter im Telegrafenamt der Deutschen Reichspost in Salzburg beschäftigt. Er und sein Kollege Johann ILLNER hatten dort offensichtlich Kontakt mit dem Monteur Anton REINDL, der Aktivist der illegalen KPÖ war, die sich schon im Jahr 1938 die Befreiung Österreichs zum Ziel gesetzt hatte, womit sie ihrem Widerstand gegen das NS-Regime eine betont patriotische Orientierung gab.

Waffengebrauch und Sabotage kamen allerdings für die illegale Salzburger KPÖ nicht in Frage, Verweigerung des Kriegsdienstes ebenso wenig. Zu Beginn des Kriegsjahres 1942 gelang es der Gestapo Salzburg mit Hilfe ihres verdeckten Ermittlers Josef Kirschner, die überregionale Widerstandsbewegung der konkurrierenden RSÖ- und KPÖ-Gruppen zu zerschlagen.

Die Gestapo, die in ihrem Quartier an der Franziskanergasse und im Polizeigefängnis am Rudolfsplatz durch brutale Verhörmethoden Geständnisse abgepresst hatte, konnte im Verlauf des Kriegsjahres 1942 weitere Gegner verhaften: am 7. April 1942 Franz PÖTTINGER, der allerdings in den Verhören standhaft blieb.
Er bestritt, jemals Mitglied der illegalen KPÖ gewesen zu sein, und beteuerte, Zahlungen an einen Unterstützungsverein für Hinterbliebene geleistet zu haben.

Die Gestapo schenkte ihm jedoch keinen Glauben und protokollierte: PÖTTINGER habe sich zu Beginn des Kriegsjahres 1941 vom Monteur Anton REINDL für die illegale KPÖ anwerben lassen, habe bis Dezember 1941 Mitgliedsbeiträge bezahlt, darüber hinaus selbst Mitglieder geworben und Beiträge kassiert, außerdem kommunistische Flugschriften zu lesen bekommen und eine für die illegale Tätigkeit bestimmte Schreibmaschine aufbewahrt.
Der 15-seitige »Schlussbericht« der Gestapo Salzburg ist der Prozessakte ILLNER und PÖTTINGER beigefügt.

Laut Haftbefehl des Ermittlungsrichters befand sich Franz PÖTTINGER seit 22. Mai 1942 in der Haftanstalt Salzburg. In der Anklageschrift des »Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof« vom 25. August 1942 gegen ILLNER und PÖTTINGER heißt es, dass die beiden »in Salzburg fortgesetzt und teils gemeinschaftlich mit anderen das hochverräterische Unternehmen, mit Gewalt ein zum Reiche gehöriges Gebiet [Österreich] vom Reiche loszureißen und mit Gewalt die Verfassung des Reiches zu ändern, vorbereitet haben« – eine Formel, die speziell in den Anklagen und Urteilen gegen KPÖ-Aktivisten zu finden ist.
Als erschwerend galt außerdem die Fortsetzung der »hochverräterischen Betätigung« während des Krieges gegen die Sowjetunion.

Kaum bekannt ist, dass im Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Salzburg vom 27. Oktober bis zum 4. November 1942 die ersten Schauprozesse eines »fliegenden Senats« des »Volksgerichtshofes« aus Berlin stattfanden.
Der 2. Senat unter dem Vorsitz des »Volksgerichtsrats« Walter Hartmann fällte in den sieben Salzburger Prozesstagen 14 Todesurteile.

Die am 3. November 1942 wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« vom 2. Senat zum Tode verurteilen Arbeitskollegen Johann ILLNER und Franz PÖTTINGER wurden – der eine 34-jährig, der andere 36-jährig – am 19. April 1943 in München-Stadelheim vom Scharfrichter Johann Reichhart mit dem Fallbeil geköpft.

In der umfangreichen Prozessakte ist dokumentiert, dass der Salzburger Gauleiter Dr. Gustav Adolf Scheel, die Staatsanwaltschaft und die Gestapo den »Gnadenerweis«, das Todesurteil in eine Zuchthausstrafe umzuwandeln, nicht befürworteten und daher die Gnadengesuche, die Franz PÖTTINGERS Schwester Anna Kainberger und seine »Wirtin« (Vermieterin) Käthe Sporrer aus Salzburg eingereicht hatten, abgewiesen wurden.

Bemerkenswert ist noch, dass Käthe Sporrer ihrer Bitte um Begnadigung PÖTTINGERS das Foto eines Kindes beigefügt hatte: vermutlich die 1937 geborene Tochter der ebenfalls im Anbau des Gasthauses Weiserhof wohnenden Partnerin von Franz PÖTTINGER.

Die Prozessakte ILLNER und PÖTTINGER enthält außerdem ein Schreiben des Reichsministeriums für Justiz vom 8. April 1943 (elf Tage vor der Hinrichtung) mit der Anweisung, dass bei der Verwertung der beiden Leichname das Anatomische Institut der Universität Würzburg zu berücksichtigen sei.

Nach der Befreiung berichtete der Münchner Gefängnisgeistliche Karl Alt, dass den Hinterbliebenen die Bestattung der Hingerichteten verweigert worden sei, dass ihre Leichen entweder den Anatomien übergeben oder in Massengräbern ohne Namensschilder verscharrt worden seien – die in München-Stadelheim Hingerichteten auf dem angrenzenden Friedhof am Perlacher Forst.

Auf Initiative des Landesverbandes Salzburg der österreichischen KZler, Häftlinge und politisch Verfolgten konnten die in München-Perlach exhumierten Leichen von Franz ASCHENBERGER, Josef HAIDINGER, Rudolf HARTL, Leopold HOCK, Franz PÖTTINGER, Josef THALHAMMER und Josef WARTINGER am 1. November 1950 und von Heinrich AUER, Karl SCHALLMOSER, Anton SCHUBERT und Rudolf SMOLIK am 14. Dezember 1952 in Gegenwart des Gnigler Pfarrers Franz Dürnberger auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg feierlich bestattet werden.

Das Sammelgrab des KZ-Verbandes für die sechs widerständigen Männer, die nicht in Familiengräbern beigesetzt worden waren, erklärte die Stadt Salzburg im Jahr 2015, siebzig Jahre nach der Befreiung Österreichs, zum Ehrengrab: »Sie starben für Österreich 1943«.

Schließlich ist noch festzuhalten, dass auf Anregung einer Enkelin Anna Kainbergers, der Schwester Franz PÖTTINGERS, schon 2009 ein Stolperstein vor dem Gasthaus Weiserhof verlegt werden konnte und dass dank der Initiative Karl Schmitzbergers, eines Mitgliedes des Gemeindevorstandes in Neukirchen an der Enknach, die umfangreiche Prozessakte aus Berlin nunmehr der Forschung zur Verfügung steht und im Jahr 2015 auch im Geburtsort Franz PÖTTINGERS ein würdiges Gedenken an das Terroropfer stattfinden kann.

Quellen

  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg
  • Deutsches Bundesarchiv Berlin (Prozessakte 7 J 376/42, 2 H 273/42)
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 22.06.2009 in Salzburg, Weiserhofstraße 4

<p>HIER WOHNTE<br />
FRANZ PÖTTINGER<br />
JG. 1907<br />
IM WIDERSTAND<br />
VERHAFTET 1941<br />
HINGERICHTET 19.4.1943<br />
MÜNCHEN-STADELHEIM</p>
Franz Pöttinger (vermutlich)
Foto: privat Sammelgrab des KZ-Verbandes Salzburg »Sie starben für Österreich 1943« auf dem Kommunalfriedhof Salzburg
Foto: KZ-Verband Salzburg

Alle Stolpersteine: Weiserhofstraße 4