Richard LÖWIT, geboren am 6. Jänner 1870 in der böhmischen Kleinstadt Chotebor, damals Österreich-Ungarn (seit 1919 Tschechoslowakische Republik), war ein Kind des jüdischen Ehepaares Theresia, geborene Rosenfeld, und Josef Löwit, von Beruf Volksschullehrer.
Sie lebten in Wien-Rudolfsheim. Das Grab seiner Eltern befindet sich in der israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs. Die im Jahr 1927 im selben Grab beigesetzte Berta Löwit war Richards Schwester.1

Richard LÖWIT, gelernter Stenograph, nahm in Wien Schauspielunterricht bei Pauline Loewe und nannte sich als Künstler Fritz RICHARD. Er spielte zunächst an deutschen und österreichischen Provinzbühnen, eine Saison lang am Stadttheater Salzburg.
Auf seinem Meldeschein ist »mosaisch« als Religionsbekenntnis vermerkt. Im Jahr 1898 heiratete er – mittlerweile ohne religiöses Bekenntnis – im böhmischen Ort Teplitz (Teplice) die Schauspielerin Friederike Raithel, 1873 in Wien geboren und katholisch getauft.

Seine Ehefrau, die keine Jüdin war, nannte sich als Künstlerin Frieda (Frida) Richard. Sie bekam drei Töchter, die am 27. Juni 1899 in Teplitz geborene Stella, die am 23. Oktober 1900 in Augsburg geborene Frieda (Fritzi) und die am 24. März 1904 in Bremen geborene Gertrud (Trude).

Friederike und Richard LÖWIT, die ausnahmslos unter ihren Theaternamen Frida und Fritz RICHARD auftraten, machten in der Stummfilmzeit Karriere. Sie waren zumeist in Nebenrollen zu sehen, auch gemeinsam in bekannten Filmen, beispielsweise 1928 in Schinderhannes (nach dem Theaterstück von Carl Zuckmayer).
Die beiden lebten in Berlin und spielten vornehmlich an Berliner Bühnen. Sie zählten zum Ensemble Max REINHARDTs und wirkten daher seit 1920 bei den Salzburger Festspielen mit: Fritz RICHARD als Armer Nachbar in Jedermann, als Fleurant in Der eingebildete Kranke, als Doktor in Turandot, als Philostrat in Ein Sommernachtstraum und als Diener in Stella.

Die Schauspielerin Frida Richard brillierte in Mütterrollen und hinterließ auch bei den Salzburger Festspielen als Jedermanns Mutter einen anhaltenden Eindruck.
Im September 1931 berichtete das Salzburger Volksblatt, dass Frau Frida Richard, die Mutter des Jedermann, das Landhaus der Gräfin Alexandra Paschkoff gekauft habe und sich in Salzburg niederlasse.
Aus dem Grundbuch geht allerdings hervor, dass die beiden Eheleute Frida und Richard LÖWIT gemeinsam im September 1931 das Haus Parsch Nr. 31, damals zur Gemeinde Aigen bei Salzburg gehörend, erwarben.

Die Familie LÖWIT war dort seit Juni 1932 offiziell gemeldet. Im August 1932 spielte Fritz RICHARD wieder seine Leibrolle im Jedermann. Sein letzter Wirkungsort war Max Reinhardts Berlin, seine Wohnadresse lautete Berlin-Hermsdorf, Hillmannstraße 5.

Am 9. Februar 1933, somit knapp nach der »Machtergreifung« Hitlers, war der 63-jährige Richard LÖWIT tot. Die Reichshauptstadt Berlin war sein Todesort. Über das Ende des bekannten Film- und Theaterschauspielers könnte ein Nachruf Aufschluss geben.
Es erschien aber nicht einmal eine Todesanzeige der Familie. Zeitgenossen, die ihn vermissten, musste das verdächtig vorkommen. Seither hält sich das Gerücht, Fritz RICHARD sei im nationalsozialistischen Berlin gewaltsam zu Tode gekommen, von SA-Männern auf offener Straße ermordet worden.
Ein gewaltsamer Tod ist nicht auszuschließen, verbürgt ist das bislang nicht.

Verständlich ist jedenfalls, dass die in Salzburg lebenden Hinterbliebenen, die Witwe und ihre drei Töchter, zu ihrem Schutz für Diskretion sorgten. In ihrem Wohnort blieb selbst der bürgerliche Name der Familie – LÖWIT galt als jüdisch – weitgehend unbekannt.

Die mit Frida Richard gut befreundete Friderike Zweig hatte viel Verständnis für Verschwiegenes, da auch sie in ihrem Umfeld etwas zu verschweigen hatte: ihre jüdische Herkunft und die ihres ersten Ehemannes, der ebenfalls zum katholischen Glauben konvertierte.
Ihre beiden katholisch getauften Töchter lebten in Salzburg, im Haus ihres Ziehvaters Stefan ZWEIG. Friderikes zweiter Ehemann, der als Jude die Salzburger Gesellschaft mied, blieb entgegen seinen Gewohnheiten im Sommer 1933 in Salzburg und war zweimal zu Gast bei Frida Richard in Parsch.
Das erste Mal erschien er dort in Begleitung des Präsidenten des Internationalen PEN-Clubs H. G. Wells und seiner Partnerin Moura Budberg, der vormaligen Partnerin Maxim Gorkis. Ihre Gespräche – vermutlich über die Bücherverbrennung und sonstige Ereignisse in Deutschland – sind leider nicht dokumentiert.
Frida Richards Gesellschaft behagte jedenfalls dem scheuen ZWEIG, da dieser eine weitere Einladung annahm. Ein in Frida Richards Garten gedrehter Film zeigt den inmitten von Künstlerinnen und Künstlern der Festspiele sich bewegenden Stefan ZWEIG als Menschen, der sein Unbehagen mit Lächeln zu kaschieren versucht.
Ein halbes Jahr später, im Februar 1934, nach der Waffensuche durch österreichische Polizisten im Haus Kapuzinerberg 5, verließ er verbittert Salzburg.

Bis 1937 spielte Frida Richard Jedermanns Mutter und die Hexe in Max REINHARDTs Faust-Inszenierung. In dieser Zeit war sie auch in österreichischen Filmen zu sehen, zuletzt 1937 als Mutter in Anzengrubers Der Pfarrer von Kirchfeld. Es war außerdem die letzte von antisemitischen Direktiven gänzlich freie österreichische Filmproduktion, daher noch unter Mitwirkung von Juden und Antifaschisten: Jakob und Luise Fleck, Friedrich Torberg, Arthur Gottlein, Hans Weigel, Ernst Mühlrad, Hans Jaray, Karl Paryla und Ludwig Stössel – im Jahr 1938 allesamt unter den Vertriebenen des NS-Regimes, der Produzent Siegfried Lemberger und der Kameramann Ernst Mühlrad unter den Shoah-Opfern.

Von 1938 bis 1945 hatte die Kunst dem Nazi-Regime zu dienen. Dokumentiert ist, dass Frida Richard in 14 Filmen als Nebendarstellerin mitwirkte, beispielsweise in Gustav Ucickys Ein Leben lang (1940), in Veit Harlans Die goldene Stadt (1942) und in Helene Riefenstahls Tiefland: erste Dreharbeiten 1940/41 mit Zwangsinternierten des »Zigeunerlagers Maxglan«. 25 »Zigeuner«, die Riefenstahl für ihren Film Tiefland als »spanische« Komparserie benutzt hatte, wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet.

Das wissen wir heute.
Aber was wusste Frida Richard damals, was konnte oder wollte sie nicht wissen?
In ihren Kreisen kannte man jedenfalls die Bedrängnisse des Hauptdarstellers in Ein Leben lang, des populären Schauspielers Joachim Gottschalk, der sich von seiner jüdischen Frau und seinem Sohn nicht trennen wollte, deswegen Berufsverbot erhielt. Als die Familie Gottschalk keinen Ausweg mehr fand, setzte sie ihrem Leben ein Ende. Man hörte davon in Frida Richards Kreisen, war geschockt und hatte Angst vor einem Bekanntwerden des Verschwiegenen.

Die Löwits hatten, wie schon erwähnt, drei Töchter: Stella, Frieda und Gertrud mit unterschiedlichen Lebensverläufen. Stella, die ältere, und ihre 1928 geborene Tochter Marianne verließen Salzburg rechtzeitig und erreichten am 30. Dezember 1939 New York.
Beide wurden im April 1945 Bürgerinnen der USA. Frida Richards zweite Tochter Frieda (Fritzi), die verheiratet war und abwechselnd in Salzburg und Wien lebte, zuletzt im Herbst 1938 im Haus ihrer Mutter gemeldet war, flüchtete vermutlich gemeinsam mit ihrem Ehemann im November 1938 nach Frankreich.
Frida Richard konnte lediglich in Erfahrung bringen, dass ihre Tochter Fritzi nach Polen verschleppt worden sei, und hoffte daher auf ihre Rückkehr. Den Ehenamen der Verschollenen kannten in Salzburg vermutlich nur die überlebenden Familienmitglieder – ihre Trauer im Privaten.

Gertrud, die jüngste Tochter, und ihr 1926 geborener Sohn Robi blieben unter dem NS-Regime in Salzburg. Aus der Polizeimeldekartei geht hervor, dass Gertrud und Robi im Haus Frida Richards wohnten.
Gertrud Löwit hatte ihre »Abstammung« väterlicherseits offensichtlich nicht vorschriftsmäßig angegeben, andernfalls wäre auf ihrer Personenkarte »jüdischer Mischling 1. Grades« vermerkt worden. Das konnte im Falle einer Aufdeckung durch die Gestapo fatale Folgen haben: Die von Berlin nach Salzburg zugezogene Schauspielerin Margarethe ETLINGER, die ihre »Abstammung« väterlicherseits ebenfalls verschwiegen hatte, wurde im KZ Ravensbrück ermordet.
Gertrud und ihr Sohn Robi konnten allerdings unter dem Schutz Frida Richards die Terrorjahre in Salzburg überstehen und im Mai 1945 die Befreiung durch US-Truppen erleben.
Anfang der 1950er Jahre emigrierten beide in die USA.

Friederike Löwit, genannt Frida Richard, starb 72-jährig am 12. September 1946 in Salzburg. Sie hatte bis zu ihrem Tod gehofft, dass ihre Tochter Frieda den Terror überlebt und wieder nach Hause kommt.

Das beweist Friederike Löwits Testament vom 21. Juni 1946, worin auch ihre Tochter Frieda als Erbin angeführt wird. Sie wurde ein Jahr darauf, am 15. September 1947, durch Gerichtsbeschluss für tot erklärt.

Erst anhand dieser Dokumente ließ sich Frieda Löwits Ehename SCHABLIN, ihr Bekenntnis zum Judentum und somit ihr Schicksalsverlauf ermitteln: Die mit Ernst Percy Schablin, einem Prager Juden, verheiratete Frieda wurde gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Klara am 4. November 1942 vom Camp de Drancy bei Paris nach Auschwitz-Birkenau deportiert, vermutlich gleich nach der „Selektion“ vergast.
Friedas Schwiegervater Paul Schablin wurde bereits am 28. August 1942 nach Auschwitz deportiert und ebenfalls ermordet. Vor der Internierung Frieda SCHABLINS und ihrer Schwiegereltern in Drancy gelang ihrem Ehemann respektive Sohn Ernst Percy die Flucht nach England. Er starb dort im Jahr 1980.

Die in New York lebenden Geschwister Stella und Gertrud Löwit verkauften ihr Haus in Salzburg. Nach ihrem Tod blieben auch ihre Nachkommen in freundschaftlichem Kontakt mit ehemaligen Nachbarn in Parsch.
Diese hatten von Trudi Löwit erfahren, dass ihr Vater, der Schauspieler Fritz RICHARD, am 9. Februar 1933 in Berlin beim Einwerfen eines Briefes an seine Familie von Nationalsozialisten erschossen worden sei.

Dr. Kerschbaumer,

We, the family, of Fritz and Frieda Richard want to extend our deepest gratitude for all your hard work creating a memorial to honor the victims of the Nazi Regime. We are honored that you included our Great-grandfather Fritz and Great-aunt Fritzi. If our mother Marianne (Fritz and Frieda’s granddaughter) and Grandmother Stella (Fritz and Frieda’s daughter) were alive, we know they would be deeply touched at the recognition of their loved ones.

Thank you Dr. Kerschbaumer and the leaders and citizens of Salzburg.
We hope to visit Salzburg, one day, and see the memory stones.

Sincerely,

The family of Fritz and Frieda Richard

1 Laut Information des Israelitischen Kultusgemeinde Wien hatte Richard LÖWIT sieben jüngere Geschwister: Clara und Emil, die im Kindesalter starben, Berta, die am 3. November 1927 in Wien starb, Alfred, der bereits 1897 in die USA emigrierte, Otto, der 1938 nach England flüchten konnte, Charlotte, verehelichte Smucar, die am 11. Dezember 1942 in Shanghai starb, und Gisela, verehelichte Singer, die am 28. Dezember 1943 in Theresienstadt ermordet wurde.

Quellen

  • Israelitische Kultusgemeinde Wien
  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg
  • Stadt- und Landesarchiv Wien
  • Stadtarchiv Augsburg
  • Ruth & Claudia Willi, Parsch
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 03.07.2014 in Salzburg, Sonnleitenweg 12

<p>HIER WOHNTE<br />
RICHARD LÖWIT<br />
GEN. FRITZ RICHARD<br />
JG. 1870<br />
TOT 9.2.1933<br />
BERLIN</p>
Portrait Frida Löwit-Richard von Albert Birkle 1943
Foto: Privatarchiv Birkle Frieda und Fritz Richard mit ihren drei Töchtern: Trudi (mit Sohn Robi), Stella (mit Tochter Marianne) und Frieda (genannt Fritzi).
Foto: Privat Frieda & Fritz mit Stella
Foto: Privat Portrait Richard Löwit, 1933
Foto: Privatarchiv Birkle Fritz Richard Gedächtnisecke im Landhaus Frieda Richard in Parsch bei Salzburg
Foto: Privatarchiv Birkle

Alle Stolpersteine: Sonnleitenweg 12