Franz ZEISS, geboren am 7. November 1892 in Altenmarkt im Pongau und katholisch getauft, absolvierte in Salzburg das erzbischöfliche Knabenseminar Borromäum und das Priesterseminar.

Er wurde am Dreifaltigkeitssonntag des Kriegsjahres 1915 im Salzburger Dom zum Priester geweiht und wirkte seither in der Stadt Salzburg als Religionslehrer, Präses des katholischen Gesellenvereines und als Seelsorger. Seit dem Jahr 1934 war er Stadtpfarrer der Pfarre St. Andrä.

Franz WESENAUER, geboren am 8. Juni 1904 in Ebensee, Bezirk Gmunden, und katholisch getauft, absolvierte ebenfalls das Knabenseminar »Borromäum« und das Priesterseminar.

Er wurde im Jahr 1930 zum Priester geweiht und wirkte zunächst als Kooperator der Pfarre Wörgl in Tirol, die zur Erzdiözese Salzburg gehört. Unter dem NS-Regime war er Kooperator der Pfarre St. Andrä und überdies Jugendseelsorger und Betreuer der Priesterseminaristen.

Die Pfarre St. Andrä befindet sich bekanntlich am Mirabellplatz, in dem nach der Kirche benannten Andräviertel. Die schweren Zerstörungen durch Luftangriffe gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, wovon auch das Andräviertel mit seiner markanten Kirche betroffen war, haften noch im kollektiven Gedächtnis der älteren Generation.

In Vergessenheit gerieten hingegen die lebensrettenden Fluchthilfen der beiden Priester ZEISS und WESENAUER und der ihnen vertrauten Familien, die hierzulande zu den wenigen »Gerechten« zählen.1

Unter dem NS-Regime war die römisch-katholische Kirche im »Gau« Salzburg mit dem aggressiven Antiklerikalismus des »Gauleiters« und »Reichsstatthalters« Dr. Friedrich Rainer konfrontiert. Rainer fungierte zudem seit Kriegsbeginn im Wehrkreis XVIII als »Reichsverteidigungskommissar«.

In dieser Funktion gab er am 11. März 1940 der Polizei die Weisung zur Durchsuchung aller Pfarrämter nach Feldpostadressen von Soldaten des Wehrkreises XVIII (das Sammeln dieser Adressen zwecks Versendung religiöser Schriften war den Pfarren aus »Abwehrgründen« untersagt). Die Geheime Staatspolizei musste allerdings feststellen, dass ihre Geheimaktion in den Pfarrämtern auf wenig Überraschung stieß.

Sie waren durch Informationen eines Beamten der Polizeidirektion vorgewarnt. Der Polizeibeamte hieß Maximilian Klimitsch. Er und seine Ehefrau, beide katholisch, hatten sich ihrem Pfarrer Franz ZEISS anvertraut. Dieser hatte daraufhin die Pfarrämter unterrichtet. Pfarrer ZEISS und das Ehepaar Klimitsch wurden noch im März 1940 von der Gestapo verhaftet.

Polizeiwachtmeister Klimitsch, den das »Oberste SS- und Polizeigericht München« wegen Verrates eines Staatsgeheimnisses zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilte, kam im September 1944 in einer Strafeinheit der SS zu Tode.

Seine im Zuchthaus Aichach inhaftierte Ehefrau Angela überstand die Terrorjahre.

Der am 13. März 1940 verhaftete Pfarrer Franz ZEISS wurde im Februar 1941 vom Polizeigefängnis in das Gefangenenhaus des Landesgerichtes überstellt und am 12. Juli 1941 durch das »Oberste SS- und Polizeigericht München« wegen der Nichtanzeige eines Geheimnisverrates – der Pfarrer hatte seine Informanten, das Ehepaar Klimitsch, nicht denunziert – zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt.

Die Strafe war durch die 16-monatige Untersuchungshaft verbüßt, weshalb der Pfarrer das Gefangenenhaus verlassen durfte, allerdings in den Terrorjahren observiert wurde, dokumentiert durch den Vermerk »Pol. Liste« (Verzeichnis der Gestapo) auf seiner Personenkarte im Polizeimelderegister. Erst vor diesem Hintergrund können seine Zivilcourage und Menschlichkeit in gebührender Weise gewürdigt werden.

Pfarrer ZEISS sah sich nach seiner Haftentlassung vor eine weitere Herausforderung gestellt: Ein katholisch konvertierter Jude, Franz Leo Breuer, Jahrgang 1916, der wegen seiner jüdischen Herkunft im Jahr 1938 in Wien sein Jus-Studium abbrechen musste und im April 1942 in ein KZ deportiert werden sollte, konnte aus einem Wiener Sammellager flüchten und in Salzburg dank der Hilfe des Pfarrers ZEISS die Terrorjahre im Verborgenen – als »U-Boot« – überstehen. ZEISS berichtete 1975, drei Jahrzehnte nach der Befreiung:

… Obwohl ich damit meinen Kopf riskierte, musste ich mich um ihn kümmern. Vorerst nahm sich seiner der Inhaber des kleinen Gasthofes »Zur Schranne« an, der ihn ohne Karte auch verpflegte.
Damit es nicht auffiel, wechselte Breuer verschiedentlich zwischen Salzburg und Bad Ischl, wo er bei einer bekannten Dame vorübergehend untertauchen konnte. Ischl wurde gewählt, weil auf der damals noch verkehrenden kleinen Lokalbahn mit ihren vielen Haltestellen einer Militärstreife leichter zu entwischen wäre.
Später setzte sich Breuer in ein mehr ländliches Gebiet in die Gegend von Grafing und Ebersberg in Bayern ab.
Er kam aber dann wieder nach Salzburg zurück und fand Unterschlupf bei einer Frau in Salzburg-Itzling. Mit Lebensmitteln u. a. versorgte ihn zum Teil meine damalige Pfarrschwester von St. Andrä in Salzburg, Dr. Sieglinde Rödleitner. Als auf Grund der Bombenschäden eine Kommission nach brauchbaren Zimmern suchte, wäre er beinahe entdeckt worden. Schließlich konnte er doch bis ans Kriegsende durchgebracht werden. Er war allerdings dann mit seinen Nerven total fertig.

Franz Leo Breuer konnte nach der Befreiung Österreichs sein Studium beenden. Er ließ zum Dank an seine Rettung an der Lourdeskapelle der Kapuzinerkirche in Salzburg ein Votivtäfelchen mit der Inschrift »Maria hat geholfen – Dr. Breuer Franz 1945« anbringen.

Er war nicht der einzige, dem Pfarrer ZEISS helfen konnte, wie aus einem Interview hervorgeht. Es gelang ihm überdies, die »Abstammung« einiger gefährdeter Personen, die nach den Nürnberger Rassengesetzen als »Volljuden« oder »Mischlinge« galten, zu verheimlichen – lebensrettende Hilfen, die auf dem Sachverhalt beruhten, dass ein österreichisches Pfarramt in staatlichem Auftrag bis 1938 sogenannte Matrikenbücher zu führen hatte, in denen Geburten, Taufen, Trauungen und Sterbefälle einzutragen waren.

In diesen Pfarrbüchern sind somit auch Konversionen oder Übertritte von Jüdinnen und Juden zum katholischen Glauben dokumentiert – unter dem NS-Regime von politischer Brisanz, da die Pfarrämter im Zuge der nationalsozialistischen Rassenpolitik verpflichtet waren, Matrikenauszüge für »Ariernachweise« auszustellen, aus denen die »Abstammung« hervorzugehen hatte.

Anhand des Polizeimelderegisters zeigt sich allerdings, dass den NS-Behörden die jüdische Herkunft einiger Personen unbekannt blieb. Infolgedessen fehlt auf den betreffenden Personenkarten mit der Rubrik »Abstammung« der Vermerk »Volljude« oder »Mischling 1. Grades«.

Bemerkenswert ist noch, dass sich Olga ZWEIG, die in Salzburg lebende Cousine des Schriftstellers Stefan ZWEIG, am 4. Juli 1942 in der Pfarre St. Andrä von Franz ZEISS taufen ließ. Zu diesem Zeitpunkt galt Olga ZWEIG, deren Vater Jude und deren Mutter Katholikin (ohne jüdische Wurzeln) war, allerdings schon als »Volljüdin« (mit dem Zwangsvornamen »Sara«) – ein bewusst falscher Vermerk im Polizeimelderegister auf Hinweis der Gestapo.

Olga ZWEIG überstand dennoch die Terrorjahre und dank ihrer Fürsorge und Verschwiegenheit auch ihr katholisch getauftes und behindertes Pflegekind Rudi, dessen jüdische »Abstammung« der Gestapo gänzlich unbekannt blieb. Bis zum Jahr 1964 wohnten Olga ZWEIG und ihr Pflegekind im Haus Linzer Gasse 6, erste Etage.

In der zweiten Etage dieses Hauses wohnte die mit Olga ZWEIG befreundete Witwe Franziska HAMMER, die ebenfalls den Priestern ZEISS und WESENAUER über alle politischen Brüche hinweg verbunden blieb.

Franz WESENAUER, Kooperator der Pfarre St. Andrä, hernach Internatsleiter2 und Pfarrer von St. Elisabeth, erzählte im Rückblick:

Ungefähr 1940/41 kam zu uns in die Pfarre [St. Andrä] eine unbekannte Frau mit einem blonden, etwa dreizehnjährigen Knaben, der zwar katholisch, von der Abstammung aber voller Jude war. Sie bat uns um Hilfe, denn seine Eltern wären bereits verschwunden. Mir stellte sich nun die Frage, diesen Buben zu retten oder umbringen zu lassen.
Ich selbst konnte ihn nicht verstecken, da ständig die Gestapo aus- und einging. Daher brachte ich ihn zunächst zu einer Familie namens Hammer in der Linzergasse.
Nach Weihnachten – die Frau war kurz vor Weihnachten gekommen – ging ich dann zu Bauern mit der Bitte, ob nicht einer den Jungen verstecken könnte. Keiner fand allerdings den Mut dazu. Erst der Bäcker Schmidhuber in Anthering nahm ihn auf. Bei ihm waren schon etliche [nach der Schließung des Borromäums und Priesterhauses durch das NS-Regime aus Salzburg vertriebene] Priesterstudenten untergebracht, so daß ein Zugang nicht sonderlich auffiel.
Der Knabe, sein Rufname war Jussi, hat dann zweieinhalb bis drei Jahre dort gelebt. Den Leuten galt er als Student. Er ging in die Kirche und fiel daher nicht auf. Schließlich waren alle anderen bereits eingerückt, nur Jussi war übriggeblieben.
Gegen Kriegsende tauchte plötzlich das Gerücht auf, was mit diesem Jungen eigentlich sei? Dies geschah etwa im Herbst 1944. Um ihn aus der drohenden Gefahr zu retten, brachte ich ihn bei Nacht und Nebel in einen anderen Ort in Oberösterreich. Soviel ich weiß, war er dann auch kurz im Stift Mattsee. Bei Kriegsende ist er durch die Kampflinie zu den Russen durchgestoßen und mit einem Panzer schließlich in Wien gelandet.

Nach der Befreiung Österreichs war »Jussi« einmal zu Besuch in Salzburg, um sich bei seinen Fluchthelfern und Retterinnen zu bedanken, die sich selbst der Gefahr ausgesetzt hatten, verfolgt zu werden und ihr Leben zu verlieren. Sie machten aber kein Aufhebens von ihrem lebensrettenden Werk und respektierten angesichts des ungebrochenen Antisemitismus, dass ehemalige Schützlinge ihre Identität nicht preisgeben wollten.

Beachtenswert ist noch, dass dank der Initiative des Pfarrers Franz WESENAUER St. Elisabeth die erste, dem Frieden und der Versöhnung sich widmende »Pax-Christi-Kirche« Österreichs war, wo auch die erste christlich-jüdische Begegnung stattfand.
Daran erinnert das 1972 in der Friedenskirche St. Elisabeth aufgestellte Relief »Jüdische Passion« der Bildhauerin Yrsa von Leistner.

Im befreiten Österreich wurden die Priester ZEISS und WESENAUER als »Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich« anerkannt.

Die Gräber der 1991 verstorbenen Priester, zuletzt beide mit dem Ehrentitel Prälat, befinden sich auf dem Friedhof des Stiftes St. Peter.

1 Erika Weinzierl: Zu wenig Gerechte: Österreicher und Judenverfolgung 1938-1945, Graz, Wien und Köln 1969, 4. Auflage 1997

2 Ein Zögling des nach der Befreiung 1945 von Franz WESENAUER geleiteten Internats im Andräviertel war bekanntlich Thomas Bernhard (siehe: Die Ursache, Salzburg 1975).

Quellen

  • Archiv der Erzdiözese Salzburg
  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg
  • Widerstand und Verfolgung in Salzburg, Band 2, S. 470ff. (Interview Günter Fellners mit Franz ZEISS und Franz WESENAUER)
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 25.09.2018 in Salzburg, Mirabellplatz 5 (Kirche St. Andrä)

<p>HIER ARBEITETE<br />
KOOPERATOR<br />
FRANZ WESENAUER<br />
JG. 1904<br />
IM CHRISTLICHEN WIDERSTAND<br />
ÜBERLEBT</p>
»Jüdische Passion«
Todeszug der Juden
- Verklärung -
Christus trägt ihr Kreuz mit.
Bildhauerin: Yrsa von Leistner (1972) Franz Wesenauer, ca. 1970
Foto: Archiv der Erzdiözese Salzburg, AT-AES 6.1.3.F 7/436

Alle Stolpersteine: Mirabellplatz 5 (Kirche St. Andrä)