Siegfried GLASEL, geboren am 28. Mai 1890 in Wien, war das einzige Kind des jüdischen Ehepaares Auguste, geborene Kürschner, und Josef GLASEL, von Beruf Magazineur.
Im sechsten Lebensjahr des Sohnes starb seine Mutter, bestattet in der israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs.

Siegfried GLASEL, der Schauspieler wurde und sich Fritz GLASEL nannte, hatte Engagements an Provinzbühnen der österreichisch-ungarischen Monarchie, zum Beispiel in der Spielsaison 1913/14 am Stadttheater in Brüx, damals Böhmen.
Etliche Jahre zählte er zum Ensemble des Theaterdirektors Paul Blasel und seiner Gattin, der einst bekannten Sängerin und Schauspielerin Leopoldine Korner1 am Stadttheater in Pressburg und am Stadttheater in Salzburg.

Am 17. August 1917, anlässlich des 30. Geburtstages »Seiner Majestät Kaiser Karl«, bot das Salzburger Stadttheater eine Festvorstellung des Lustspiels Goldfische von Franz von Schönthan, einst bekannt für Militärlustspiele.
Fritz GLASEL spielte den Leutnant von Kallern. Das Stadttheater war schon damals ein Mehrspartenhaus, das Operetten, Singspiele, Schwänke, Possen, Zaubermärchen, Komödien, Tragödien und hin und wieder Opern aufführte.

Fritz GLASEL hatte zumeist kleinere Rollen in Wiener Blut, Die Fledermaus, Der Feldherrnhügel, Das Dreimäderlhaus, Im weißen Rößl, Lumpazivagabundus, Der Verschwender, Die Räuber, Fuhrmann Henschel, Das weite Land, Peer Gynt und anderen Stücken. In Arthur Schnitzlers Das weite Land, einst Repertoirestück des Hofburgtheaters, spielte GLASEL den Portier Rosenstock (Hugo Thimigs Rolle bei der Uraufführung in Wien).

Seit dem Zerfall der Monarchie Österreich-Ungarn lebte Fritz GLASEL vornehmlich bei seiner Lebenspartnerin, einer geschiedenen Frau mit fünf Kindern in Salzburg. Hin und wieder logierte er als lediger Schauspieler im Stadttheater, Makartplatz 2.

Das antisemitische Salzburg wusste schon Mitte der 1920er Jahre, dass Fritz GLASEL Jude war. Sein Name steht nämlich im »Judenkataster«, in jenem Verzeichnis des auf Boykott und Vertreibung aller Juden zielenden Eisernen Besens, einer rassistischen Zeitschrift, die von der Ortsgruppe Salzburg des 1919 gegründeten österreichischen Antisemitenbundes herausgegeben wurde.

Mangels Dokumente lässt sich aber nicht eindeutig klären, aus welchen Gründen GLASEL seine Laufbahn als Schauspieler beenden musste. Er war jedenfalls noch als Chorsänger in Salzburg tätig, wie aus dem Melderegister hervorgeht.

Bekannt ist überdies, dass der im Jahr 1933 vom NS-Regime in Deutschland über Österreich verhängte Boykott – 1000-Mark-Sperre – einen starken Besucherschwund im Stadttheater verursachte.
Das Haus wurde nach dem gewaltsamen »Anschluss« an Deutschland in Salzburger Landestheater umbenannt.

Verbürgt ist des Weiteren, dass Siegfried GLASEL, mittlerweile arbeitslos, vom 2. August 1938 bis 27. Oktober 1939 in Wien 6, Mollardgasse 25, gemeldet war – mit folgendem Abmeldevermerk: »nach Polen«.
Sein Schicksal blieb bislang wegen eines Namensfehlers in den Shoah-Datenbanken ungeklärt.2

Sicher ist, dass sich der 49-jährige Siegfried GLASEL unter den 672 Juden des zweiten Wiener Transportes befand, der am 27. Oktober 1939 nach Nisko in das besetze Polen ging, wo Adolf Eichmanns »Judenreservat« entstehen sollte.3
Zu den Opfern Eichmanns zählt der Schauspieler Fritz GLASEL, der als Portier Rosenstock in Arthur Schnitzlers Das weite Land am Stadttheater Salzburg auftrat.

Das Schicksal seines Vaters konnte mittlerweile ebenfalls geklärt werden: Der 81-jährige Witwer Josef GLASEL wurde am 28. Juni 1942 von Wien nach Theresienstadt deportiert und dort am 2. Oktober 1942 ermordet.

1 Paul Blasel, geboren am 29. Juni 1855 in Linz, debütierte als jugendlicher Liebhaber in Bad Ischl und Salzburg, war an zahlreichen Bühnen Schauspieler, Sänger und Direktor, von 1899 bis 1932 mit Unterbrechungen Direktor und schließlich Intendant des Stadttheaters Salzburg, erhielt eine Ehrenpension und starb am 21. Juni 1940 in Salzburg.
Seine erste Ehefrau Leopoldine Korner, geboren am 10. August 1858 in Wien, war an zahlreichen Bühnen Schauspielerin und Sopranistin und starb am 8. Juni 1926 in Wien.

2 Shoah-Datenbanken: Siegfried Blasel statt Glasel

3 Jonny Moser: Nisko. Die ersten Judendeportationen, Wien 2012

Quellen

  • Israelitische Kultusgemeinde Wien
  • Stadt- und Landesarchiv Wien
  • Salzburg Museum
  • Stadtarchiv Salzburg
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 18.04.2013 in Salzburg, Makartplatz 2

<p>HIER WIRKTE<br />
SIEGFRIED FRITZ<br />
GLASEL<br />
JG. 1890<br />
Deportiert 27.10.1939<br />
ERMORDET IN<br />
NISKO</p>
Das ehemalige »Stadttheater« »Das weite Land« mit Fritz Glasel Stolpersteine für Fritz Glasel & Fritz Tannenberger vor dem Salzburger Landestheater

Alle Stolpersteine: Makartplatz 2