Franz ASCHENBERGER, geboren am 11. Juli 1898 in Lohnsburg, Bezirk Ried im Innkreis, war Eisenbahner, Zugschaffner, verheiratet und hatte eine Tochter, die 1924 in Salzburg zur Welt kam.
Die Familie ASCHENBERGER war in der selbständigen Gemeinde Gnigl heimatberechtigt und wohnte in Itzling (bis 1935 zur Gemeinde Gnigl gehörend, seither ein Stadtteil von Salzburg).
Der Eisenbahner ASCHENBERGER war Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und ihres Republikanischen Schutzbundes, überdies aktiver Gewerkschafter bis zum Verbot aller Arbeiterorganisationen durch die österreichische Diktatur im Februar 1934.
Auf dem von der Staatspolizei beschlagnahmten »Alarmplan« des Republikanischen Schutzbundes sind die Namen von 47 Aktivisten aufgelistet, darunter die Eisenbahner Franz ASCHENBERGER, Josef HAIDINGER und Josef KUMHART, die bemerkenswerterweise nicht dem Widerstandsnetz der Revolutionären Sozialisten Österreichs (RSÖ) angehörten, die unter dem Austrofaschismus aus der verbotenen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei hervorgingen.
Unter dem NS-Regime zählten ASCHENBERGER, HAIDINGER und KUMHART zu der von Franz OFNER und Anton REINDL reaktivierten Widerstandsbewegung der Kommunistischen Partei (KPÖ) mit ihrem »Untergebiet Reichsbahn«.
Die drei Eisenbahner engagierten sich für den Aufbau eines Widerstandsnetzes entlang den verzweigten Bahnstrecken im Land Salzburg.
Nach intensiver Mitgliederwerbung in den Werkstätten und im Fahrdienst avancierte HAIDINGER zum Leiter des »Untergebietes Reichsbahn« und der »Gruppe Reichsbahnwerkstätte« und der Zugschaffner Franz ASCHENBERGER zum Kassier des »Untergebietes Reichsbahn« und zum Leiter der »Gruppe Fahrdienst«.
Angesichts des hohen Organisationsgrades der Eisenbahner ist es nicht überraschend, dass sie mit über 40 gerichtlich verfolgten Aktivisten die größte Gruppe des kommunistischen Widerstandes waren.
Hinzu kommen noch rund 60 gerichtlich verfolgte Eisenbahner, die der Salzburger Gruppe der Revolutionären Sozialisten Österreichs angehörten.
Obschon es misslang, die beiden Netze zu verknüpfen und die Widerstandskraft zu stärken, wurden die beiden sich gegenseitig konkurrierenden Gruppen angesichts der strategischen Bedeutung der Reichsbahn im Krieg, speziell nach dem Angriff auf die Sowjetunion, vom NS-Regime als besonders gefährlich beurteilt, was in der Zahl der gefällten Todesurteile zum Ausdruck kommt.
Am gefährlichsten galten offensichtlich die kommunistischen Eisenbahner: eine kleinere Gruppe als die der Sozialisten, aber deutlich mehr Terroropfer.
Der im August 1941 nach Salzburg zugezogene bayerische Gestapo-Mann Josef Kirschner agierte als verdeckter Ermittler. Ihm gelang es, in die Widerstandsnetze einzudringen.
Anfang des Kriegsjahres 1942 vermochte die Gestapo zunächst die beiden Widerstandsgruppen in Salzburg und schließlich das gesamte überregionale Widerstandsnetz aufzurollen und zu zerschlagen.
Um jegliche Widerstandsregung für immer zu ersticken, ließ die Gestapo neun Ehefrauen aus den kommunistischen Ortsgruppen Gnigl, Itzling und Hallein vom Polizeigefängnis mit Sammeltransporten nach Auschwitz deportieren.
Mindestens 79 Aktivistinnen und Aktivisten, darunter 29 Eisenbahner aus den kommunistischen und sozialistischen Widerstandsgruppen in Stadt und Land kamen in Konzentrationslagern oder Zuchthäusern zu Tode oder starben nach der Befreiung an Haftfolgen.
Gegen Ende des Terrorregimes konnte der Gestapo-Mann Josef Kirschner, »der dem Gerichtshof aus zahlreichen Verfahren als äußerst tüchtiger und findiger Beamter bekannt ist«, unbehelligt untertauchen.
Kaum bekannt ist, dass im Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Salzburg etliche Prozesse des Berliner »Volksgerichtshofes« stattfanden, speziell jene des 2. und 6. Senats unter dem Vorsitz des »Volksgerichtsrates« Walter Hartmann.1
Am 3. November 1942, dem zweiten von drei Prozesstagen, wurde über vier Aktivisten der KPÖ, Franz ASCHENBERGER, Josef HAIDINGER, Johann ILLNER und Franz PÖTTINGER, das Todesurteil gefällt.
Die Prozessakten sind lückenhaft erhalten: ein Ermittlungsbericht der Gestapo über die illegale KPÖ Salzburg, Haftbefehle des Ermittlungsrichters mit aufgelisteten Eisenbahnern, an erster Stelle Josef HAIDINGER als Hauptangeklagter, und die Todesurteile des »Volksgerichtshofes« unter dem Vorsitz Walter Hartmanns.
Daraus geht hervor, dass kein Verdacht auf Waffenbesitz oder Sabotage bestand, dass vielmehr die Mitgliederwerbung für die regimefeindliche KPÖ-Organisation in der Reichsbahn zentraler Anklagepunkt war, was sich in der Begründung der Todesurteile gegen HAIDINGER und ASCHENBERGER derart anhört:
Sie waren beide gehobene Funktionäre. Haidinger politischer Leiter, Aschenberger Untergebietskassier. Sie hatten mit ihrer Werbung Erfolge, die sich einmal sehr gefährlich auswirken konnten, da sie zuletzt 40 bis 50 Mitglieder allein in der lebenswichtigsten Verkehrszentrale der Reichsbahn geworben hatten.
Sie waren Reichsbeamte, die den Treueeid auf den Führer geleistet hatten und trotzdem der kämpfenden Front in den Rücken gefallen sind. Etwaige persönliche Milderungsgründe konnten demgegenüber nicht ins Gewicht fallen.
Beide Angeklagten haben Leben und Ehre verwirkt.
Dem »Volksgerichtshof« kamen vornehmlich jene Delikte zu Gehör, die Beschuldigte in Gestapo-Verhören gestanden hatten: Mitgliederwerbung und Beitragszahlungen, was aber schon als Vorbereitung oder Verabredung und Konspiration zum Hochverrat galt.
Die widerständigen Eisenbahner Franz ASCHENBERGER, seit 12. Februar 1942 in Haft, und Josef HAIDINGER, seit 17. Jänner 1942 in Haft, wurden am 3. November 1942 vom 2. »Blutsenat« im Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Salzburg wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zum Tode verurteilt und am 11. Mai 1943 in München-Stadelheim enthauptet: ASCHENBERGER 44-jährig, HAIDINGER 45-jährig.
In ASCHENBERGERS Abschiedsbrief stehen die Worte:
… Aber der Glaube an die Zukunft sagt mir, dass es Euch später einmal besser gehen wird, und das ist mein Trost und macht mir das Sterben leicht. Unserm Kind noch einige Zeilen.
Bitte, bleib recht brav und ehrlich und stark, und beschütze und sorge für unsere Mama, so lange sie Dir Gott lässt. Meine Lieben! Also lebt recht wohl. Eurem Papa war es vom Schicksal nicht mehr gegönnt, mit Euch weiterzuleben.
Seine Lieben fanden im Kriegsjahr 1943 für ihre publizierte Todesanzeige erstaunlich prägnante Worte:
…
Franz Aschenberger
Reichsbahn-Schaffner
welcher sich am 11. Mai 1943, im 45. Lebensjahre, schweren Herzens von seinen Lieben trennen musste.
Auf Initiative des Landesverbandes Salzburg der österreichischen KZler, Häftlinge und politisch Verfolgten wurden die in München-Stadelheim ermordeten Genossen Franz ASCHENBERGER, Josef HAIDINGER, Rudolf HARTL, Leopold HOCK, Franz PÖTTINGER, Josef THALHAMMER und Josef WARTINGER auf dem Forstfriedhof in München-Perlach exhumiert und am 1. November 1950 unter Beteiligung des Gnigler Pfarrers Franz Dürnberger auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg feierlich bestattet.
Die verwitwete Maria Aschenberger, die als Hinterbliebene im befreiten Österreich Anspruch auf Opferfürsorge hatte, starb 89-jährig 1990 und ihre Tochter Herta 85-jährig 2009 in Salzburg.
1 24 Todesurteile unter dem Vorsitz des »Volksgerichtsrates« Walter Hartmann (1887-1945): Franz Amberger, Franz Aschenberger, Alois Auer, Heinrich Auer, Heinrich Gittler, Anton Graf, August Gruber, Josef Haidinger, Josef Helmetsberger, Rosa Hofmann, Johann Illner, Franz Ofner, Franz Pöttinger, Johann Pöttler, Anton Reindl, Josef Reischenböck, Karl Schallmoser, Josef Scherleitner, Anton Schubert und Ernst-Paul Stoiber (alle vollstreckt); Johann Meißnitzer, Richard Muhr, Franz Priewasser und Franz Randak (nicht vollstreckt).
Quellen
- Stadt- und Landesarchiv Salzburg: Opferfürsorgeakten (OF S-102)
- Volksgerichtshof (7 J 187/42)
- Arolsen Archives: Sterbeurkunde München II
- Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934-1945, Band 1, Wien 1991, S. 379ff, 386ff, 616
- Salzburger Tagblatt, 31. 10. 1945, S. 3: Gedenket unserer Toten!
- Salzburger Volkszeitung, 2. 11. 1950, S. 5: Gedenkfeier für sieben Opfer des Freiheitskampfes am 1. 11. 1950
Stolperstein
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