Anna Maria WAHL, geboren am 9. Juni 1872 in Salzburg, war das zweite von drei Kindern des Ehepaares Maria, geborene Zeller, und Alfred WAHL.
Ihr Vater, der früh verstarb, war Cafetier am Platzl, im Eckhaus Dreifaltigkeitsgasse/Linzer Gasse: damals Café Zeller, hernach Café Lohr und jetzt ein Schuhgeschäft.

Anna Maria WAHLS Mutter stammte aus der prominenten Salzburger Kaufmanns- und Fabrikantenfamilie Bolland-Zeller, der das Warenhaus Andre Hofer und die Feigenkaffeefabrik gleichen Namens gehörte.
Anna Maria WAHLs Großvater Franz Zeller, verheiratet mit Marie Bolland, war Gründer der Feigenkaffeefabrik, Präsident der Handelskammer und Vizebürgermeister in Salzburg.

Sein Betrieb expandierte unter seinem Sohn Ludwig Zeller, der ebenfalls Präsident der Handelskammer war. Dessen Schwester Emma war die Ehefrau des Arztes Dr. Albert Schumacher, zeitweilig Bürgermeister und Landeshauptmann von Salzburg – Familien, die in Salzburg Geschichte schrieben.

Nach dem Tod Ludwig Zellers erbten seine Neffen Alfred und Dr. Bruno WAHL, die Brüder Anna Marias, das Haus Faberstraße 6 im Salzburger Andräviertel: Adresse des einst florierenden Familienbetriebes Andre Hofer.

Unweit davon, im Haus Hubert-Sattler-Gasse 7, 1. Etage, wohnten seit den 1890er Jahren die früh verwitwete Maria WAHL, geborene Zeller, und ihre Tochter Anna Maria, die ledig blieb, laut eigenen Angaben Schriftstellerin, jedenfalls journalistisch tätig war und Artikel über Volkskunst schrieb.

Ihre Mutter starb 92-jährig am 25. Februar 1933, womit die mittlerweile 60-jährige Tochter ihre Bezugsperson verlor.
Ihr älterer Bruder Alfred war Postamtsdirektor in Graz, ihr jüngerer Bruder Bruno war Leiter der Bundesanstalt für Pflanzenschutz in Wien. Beide lebten auch unter dem NS-Regime nicht in Salzburg.

Aus den Meldedaten ist darauf zu schließen, dass Anna Maria WAHL mehrmals – vermutlich wegen psychischer Probleme – in stationärer Behandlung war und im Dezember 1934 in der Landesheilanstalt Salzburg-Lehen Aufnahme fand, dort bis zu der unter dem NS-Regime durchgeführten Geheimaktion »T-4«1 blieb, für die im »Reichsgau« Salzburg die Ärzte Dr. Leo Wolfer als Leiter der Landesheilanstalt und sein Sohn Dr. Heinrich Wolfer als Abteilungsleiter sowie der Landesbeamte Dr. Oskar Hausner als Leiter des Gaufürsorgeamtes und Dr. Friedrich Rainer als Reichsstatthalter verantwortlich waren.

Die 68-jährige Anna Maria WAHL wurde im vierten und letzten Transport – 85 Pfleglinge der Landesheilanstalt – am 21. Mai 1941 nach Hartheim deportiert und dort vergast.

Im Gedächtnisprotokoll des Arztes Dr. Johann Gföllner, des Leiters der Frauenabteilung der Landesheilanstalt Salzburg, heißt es:

Ebenfalls so erschütternd war ein anderer Fall einer an sich intelligenten Frau aus der 1. Verpflegsklasse, einer Schriftstellerin [Anna Maria Wahl], die tags vorher in die Zelle gesperrt werden musste, damit sie das Inventarisieren nicht wahrnähme und dadurch nicht in Unruhe gerate.
Als diese von der Begleitmannschaft aus der Frauenklinik in den Wagen gezerrt wurde, schrie sie mit gellender Stimme: »Mein, spricht der Herr, ist die Rache!«

1 »T-4«: benannt nach der »Euthanasie«-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4.

Quellen

  • Stadtarchiv Salzburg
  • Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim
Autor: Gert Kerschbaumer
Johannes Hofinger

Stolperstein
verlegt am 22.08.2007 in Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 7

<p>HIER WOHNTE<br />
ANNA MARIA WAHL<br />
JG. 1872<br />
DEPORTIERT 21.5.1941<br />
SCHLOSS HARTHEIM<br />
ERMORDET 1941</p>
Foto: Gert Kerschbaumer

Alle Stolpersteine: Hubert-Sattler-Gasse 7