Josef HAIDINGER, geboren am 15. Februar 1898 in Pöndorf am Hausruck, Bezirk Vöcklabruck, war katholisch, verheiratet und Oberwerkmann der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB).
Die nach österreichischem Recht in der Gemeinde Gnigl heimatberechtigte Familie wohnte in der Nähe des Rangierbahnhofes im Haus Josef-Waach-Straße 13, das im Eigentum des Ehepaares Haidinger war.
Die Gemeinde Gnigl, zu der auch Itzling gehörte, hatte bis Februar 1934 einen Sozialdemokraten und Eisenbahner als Bürgermeister und ist seit 1935 ein Stadtteil von Salzburg.

Der Eisenbahner HAIDINGER war Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und ihres Republikanischen Schutzbundes, aktiver Gewerkschafter und Obmann des Arbeiter-Turn- und Sportvereins in Gnigl bis zum Verbot aller Arbeiterorganisationen durch die österreichische Diktatur im Februar 1934.

Auf dem von der Staatspolizei beschlagnahmten »Alarmplan« des Republikanischen Schutzbundes sind die Namen von 47 Aktivisten aufgelistet, darunter die Eisenbahner Franz ASCHENBERGER, Josef HAIDINGER und Josef KUMHART, die bemerkenswerterweise nicht dem Widerstandsnetz der Revolutionären Sozialisten Österreichs (RSÖ) angehörten, die unter dem Austrofaschismus aus der verbotenen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei hervorgingen.

Unter dem NS-Regime zählten ASCHENBERGER, HAIDINGER und KUMHART zu der von Franz OFNER und Anton REINDL reaktivierten Widerstandsbewegung der Kommunistischen Partei (KPÖ) mit ihrem »Untergebiet Reichsbahn«.
HAIDINGER wurde im Sommer 1940 von REINDL für die KPÖ angeworben und von OFNER für den Aufbau eines Widerstandsnetzes entlang den verzweigten Bahnstrecken engagiert. Nach intensiver Mitgliederwerbung in den Werkstätten und im Fahrdienst avancierte HAIDINGER zum Leiter des »Untergebietes Reichsbahn« und der »Gruppe Reichsbahnwerkstätte« und der Zugschaffner Franz ASCHENBERGER zum Kassier des »Untergebietes Reichsbahn« und zum Leiter der »Gruppe Fahrdienst«.

Angesichts des hohen Organisationsgrades der Eisenbahner ist es nicht überraschend, dass diese mit über 40 gerichtlich verfolgten Aktivisten die größte Gruppe des kommunistischen Widerstandes waren.
Hinzu kommen noch rund 60 gerichtlich verfolgte Eisenbahner, die der Salzburger Gruppe der Revolutionären Sozialisten Österreichs angehörten. Obschon es misslang, die beiden Netze zu verknüpfen und die Widerstandskraft zu stärken, wurden die beiden sich gegenseitig konkurrierenden Gruppen angesichts der strategischen Bedeutung der Reichsbahn im Krieg, speziell nach dem Angriff auf die Sowjetunion, vom NS-Regime als besonders gefährlich beurteilt, was in der Zahl der gefällten Todesurteile zum Ausdruck kommt.

Am gefährlichsten galten offensichtlich die kommunistischen Eisenbahner: eine kleinere Gruppe als die der Sozialisten, aber deutlich mehr Terroropfer.

Der im August 1941 nach Salzburg zugezogene bayerische Gestapo-Mann Josef Kirschner agierte als verdeckter Ermittler. Ihm gelang es, in die Widerstandsnetze einzudringen.

Anfang des Kriegsjahres 1942 vermochte die Gestapo zunächst die beiden Widerstandsgruppen in Salzburg und schließlich das gesamte überregionale Widerstandsnetz aufzurollen und zu zerschlagen.
Um jegliche Widerstandsregung für immer zu ersticken, ließ die Gestapo neun Ehefrauen aus den kommunistischen Ortsgruppen Gnigl, Itzling und Hallein vom Polizeigefängnis mit Sammeltransporten nach Auschwitz deportieren.

Mindestens 79 Aktivistinnen und Aktivisten, darunter 29 Eisenbahner aus den kommunistischen und sozialistischen Widerstandsgruppen in Stadt und Land kamen in Konzentrationslagern oder Zuchthäusern zu Tode oder starben nach der Befreiung an Haftfolgen.

Gegen Ende des Terrorregimes konnte der Gestapo-Mann Josef Kirschner, »der dem Gerichtshof aus zahlreichen Verfahren als äußerst tüchtiger und findiger Beamter bekannt ist«, unbehelligt untertauchen.

Kaum bekannt ist, dass im Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Salzburg etliche Prozesse des Berliner »Volksgerichtshofes« stattfanden, speziell jene des 2. und 6. Senats unter dem Vorsitz des »Volksgerichtsrates« Walter Hartmann.

Am 3. November 1942, dem zweiten von drei Prozesstagen, wurde über vier Aktivisten der KPÖ, Franz ASCHENBERGER, Josef HAIDINGER, Johann ILLNER und Franz PÖTTINGER, das Todesurteil gefällt. Die Prozessakten sind lückenhaft erhalten: ein Ermittlungsbericht der Gestapo über die illegale KPÖ Salzburg, Haftbefehle des Ermittlungsrichters mit aufgelisteten Eisenbahnern, an erster Stelle Josef HAIDINGER als Hauptangeklagter, und die Todesurteile des »Volksgerichtshofes« unter dem Vorsitz Walter Hartmanns.
Daraus geht hervor, dass kein Verdacht auf Waffenbesitz oder Sabotage bestand, dass vielmehr die Mitgliederwerbung für die regimefeindliche KPÖ-Organisation in der Reichsbahn zentraler Anklagepunkt war, was sich in der Begründung der Todesurteile gegen HAIDINGER und ASCHENBERGER derart anhört:

Sie waren beide gehobene Funktionäre. Haidinger politischer Leiter, Aschenberger Untergebietskassier. Sie hatten mit ihrer Werbung Erfolge, die sich einmal sehr gefährlich auswirken konnten, da sie zuletzt 40 bis 50 Mitglieder allein in der lebenswichtigsten Verkehrszentrale der Reichsbahn geworben hatten.
Sie waren Reichsbeamte, die den Treueeid auf den Führer geleistet hatten und trotzdem der kämpfenden Front in den Rücken gefallen sind.
Etwaige persönliche Milderungsgründe konnten demgegenüber nicht ins Gewicht fallen. Beide Angeklagten haben Leben und Ehre verwirkt.

Dem »Volksgerichtshof« kamen vornehmlich jene Delikte zu Gehör, die Beschuldigte in Gestapo-Verhören gestanden hatten: Mitgliederwerbung und Beitragszahlungen, was aber schon als Vorbereitung oder Verabredung und Konspiration zum Hochverrat galt.

Die widerständigen Eisenbahner Josef HAIDINGER, seit 17. Jänner 1942 in Haft, und Franz ASCHENBERGER, seit 12. Februar 1942 in Haft, wurden am 3. November 1942 vom 2. »Blutsenat« im Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Salzburg wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zum Tode verurteilt und am 11. Mai 1943 in München-Stadelheim enthauptet: ASCHENBERGER 44-jährig, HAIDINGER 45-jährig.

Josef HAIDINGERS Ehefrau Maria, die als Hinterbliebene im befreiten Österreich Anspruch auf Opferfürsorge hatte, starb im Jahr 1970 79-jährig. Ihre Tochter Rosa verließ Salzburg.

Auf Initiative des Landesverbandes Salzburg der österreichischen KZler, Häftlinge und politisch Verfolgten wurden die in München-Stadelheim ermordeten Genossen Franz ASCHENBERGER, Josef HAIDINGER, Rudolf HARTL, Leopold HOCK, Franz PÖTTINGER, Josef THALHAMMER und Josef WARTINGER auf dem Forstfriedhof in München-Perlach exhumiert und am 1. November 1950 unter Beteiligung des Gnigler Pfarrers Franz Dürnberger auf dem Kommunalfriedhof in Salzburg feierlich bestattet.

Auf Vorschlag des Antifaschistischen Personenkomitees wurde im »Bedenkjahr« 1988 ein öffentlicher Verkehrsweg in Gnigl nach dem hingerichteten Eisenbahner Josef HAIDINGER benannt.

Quellen

  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
Autor: Gert Kerschbaumer

Stolperstein
verlegt am 13.07.2015 in Salzburg, Josef-Waach-Straße 13

<p>HIER WOHNTE<br />
JOSEF HAIDINGER<br />
JG. 1898<br />
IM WIDERSTAND<br />
VERHAFTET 17.1.1942<br />
MÜNCHEN-STADELHEIM<br />
HINGERICHTET 11.5.1943</p>
Josef Haidinger
Foto: Archiv der KPÖ Grabstein Josef Haidinger Foto: Gert Kerschbaumer

Alle Stolpersteine: Josef-Waach-Straße 13