Johann (Hans) GRABER, geboren am 21. Februar 1918 in Munderfing, Bezirk Braunau in Oberösterreich, war das einzige Kind des katholischen, im Jahr 1935 gerichtlich geschiedenen Ehepaares Therese und Johann Graber.

Ihr Sohn Johann jun., der eine kaufmännische Schule besucht hatte, wohnte bei seiner Mutter, einer Wäscherin, im Salzburger Stadtteil Parsch und war unter der österreichischen Diktatur zunächst Schreibkraft in der Landesleitung der Jugendorganisation »Jung-Vaterland«, die zur paramilitärischen »Heimwehr« gehörte, dann Bezirkssekretär des »Österreichischen Jungvolks« in der Einheitspartei »Vaterländische Front«, die 1933 nach faschistischem Vorbild gegründet und im März 1938 durch das NS-Regime aufgelöst wurde.

Dokumentiert ist außerdem, dass sich der 20-jährige Johann GRABER im Dezember 1938 freiwillig zum Dienst in der Deutschen Wehrmacht meldete. Seit der Mobilmachung der Deutschen Wehrmacht im August 1939 war GRABER Schreibkraft in der Gebirgsnachrichten-Ersatzabteilung Nr. 18 des Stellvertretenden Generalkommandos XVIII. Armeekorps in Salzburg.

Er wurde am 1. Jänner 1940 zum Gefreiten befördert und am 27. August 1940 in seiner Dienststelle verhaftet.

Otto HORST, geboren am 15. Juli 1886 in Ratsch, Bezirk Leibnitz in der Steiermark, war Maturant, Offizier der k. u. k. Armee, Absolvent der Technischen Hochschule in Wien und danach Bauingenieur in der Steiermark, in Fohnsdorf und Andritz bei Graz.
Bis Februar 1934 war er Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und Führer ihres Wehrverbandes, des Republikanischen Schutzbundes.

Otto HORST erlitt einen Schlaganfall, war nach seiner Genesung Vertragsangestellter im höheren Baudienst des Landes Steiermark und gezwungenermaßen Mitglied der »Vaterländischen Front«.
Er meldete sich als 53-jähriger freiwillig zur Deutschen Wehrmacht, wurde im Jänner 1940 als Oberleutnant der Reserve einberufen und diente als »Schlüsseloffizier« in der Gebirgsnachrichten-Ersatzabteilung Nr. 18, und zwar im Betriebsdienst, wo er am 4. September 1940, acht Tage nach GRABERS Festnahme, von der Gestapo verhaftet wurde.

GRABER und HORST hatten bis zu ihrem Strafprozess drei Jahre und drei Monate in Gefangenen- oder Zuchthäusern zu verbringen.

Bekannt sind nur Johann GRABERS Haftstationen: Polizeigefängnis und, nach dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters vom 9. April 1941, Gefangenenhaus des Landesgerichtes Salzburg, im September 1941 Überstellung nach Berlin-Moabit, im September 1943 nach Amberg in Bayern und am 29. November 1943 retour in das Gefangenenhaus des Landesgerichtes Salzburg, wo am 2. und 3. Dezember 1943 im Schwurgerichtssaal die Prozesse des 6. Senats des Berliner »Volksgerichtshofes« unter dem Vorsitz des »Kammergerichtsrates« Hermann Granzow stattfanden und drei Todesurteile gefällt wurden.

Einer der drei Justizmorde ist bislang kaum bekannt: Nikolaus SCHWARZ, ein Eisenbahn-Inspektor, der wegen seines Aufrufs an französische Kriegsgefangene zum bewaffneten Aufstand, was als »landesverräterische Feindbegünstigung« galt, am 10. Februar 1944, acht Tage vor GRABER und HORST, in München-Stadelheim durch das Fallbeil getötet wurde.

In den erhaltenen Dokumenten wird nicht erklärt, weshalb die beiden Angehörigen der Deutschen Wehrmacht, Gefreiter GRABER und Oberleutnant HORST, nicht vor das Kriegsgericht gestellt wurden, sondern vor den »Volksgerichtshof«.

In der Begründung seiner Todesurteile heißt es, dass der Angeklagte GRABER im Frühjahr 1940 unter dem Namen »Heimatfront« eine illegale Organisation ins Leben gerufen habe, deren Ziel die Befreiung der »Ostmark« vom Nationalsozialismus und die Wiederherstellung eines selbständigen österreichischen Staates gewesen sei.

Auf den Flugblättern, die GRABER in seinem Dienstzimmer herstellte, war beispielsweise zu lesen, dass der Krieg kein aufgezwungener, sondern ein Eroberungskrieg Hitlers und seiner Bonzen zur Unterwerfung und Versklavung weiterer Völker Europas sei.

Aus dem Urteil geht nicht hervor, dass Otto HORST am Aufbau der Widerstandsbewegung und an der Produktion von Flugschriften beteiligt war. In der Urteilsbegründung heißt es lediglich, dass HORST, ungeachtet seines Treueeides als Offizier auf den »Führer«, die von GRABER verbreiteten Schriften regelmäßig bezogen und ihm dadurch bei seinem staatsgefährlichen Treiben den Rücken gestärkt habe und dass diese Tat auf seine marxistische Grundeinstellung zurückzuführen sei.

Mit dieser Begründung verurteilte am 2. Dezember 1943 der 6. Senat des »Volksgerichtshofs« in Salzburg die beiden Angeklagten GRABER und HORST wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zum Tode und »zu lebenslangem Ehrverlust«.

Die von der Mutter Johann GRABERS und von Verwandten Otto HORSTs an den »Führer« gerichteten Gnadengesuche fanden kein Gehör.
Der 25-jährige Johann GRABER und der 57-jährige Otto HORST wurden von Salzburg in das Strafgefängnis München-Stadelheim überstellt, dort am 18. Februar 1944 durch den Scharfrichter enthauptet. Der Vollstreckungsbericht lautet wörtlich:

Der Hinrichtungsvorgang dauerte vom Verlassen der Zelle an gerechnet 1 Minute 5 Sekunden bezw. 1 Minute 7 Sekunden, von der Übergabe an den Scharfrichter bis zum Falle des Beiles 5 bezw. 7 Sekunden.
Zwischenfälle oder sonstige Vorkommnisse von Bedeutung sind nicht zu berichten. gez. Kummer.

Therese Graber erhielt von ihrem Sohn »Hansl« einen berührenden Abschiedsbrief:

Innigstgeliebte Mutter meines Herzens!
Gebe Dir Gott der Allerbarmer die Kraft, diesen schweren Schlag zu ertragen, den ich Dir in letzter Lebensstunde nicht abwenden kann. Heute um 5 h nachmittags gehe ich mit dem Schöpfer ausgesöhnt vom Leben in den Tod. Lasse Dir innigstgeliebte Mutter in letzter Stunde vom ganzen Herzen Dank sagen für Deine unendlich große Liebe, die Du mir allzeit entgegengebracht hast.
Dank für all Deine Bemühungen, die Du für mich von der Stunde der Geburt bis zum heutigen Tage entgegengebracht hast. Denke in Zukunft im Gebete an mein Seelenheil, wie auch mein letzter Gedanke ein Bittgebet für Dich an den Schöpfer sein soll. Denke daran, dass mich der Herrgott für würdig befunden hat, mit den Tröstungen der hl. Religion aus dem Leben zu scheiden. Stets war ich bestrebt, Dir das Dasein zu verschönern, Gottes Ratschluss wollte es anders.
Verzeihe mir alle Verfehlungen gegen Dich meine liebste Mutter. […] Verzeihe auch allen anderen, wie auch ich keinen Hassgedanken in das Jenseits mitnehme. Grüße mir meine teure Heimat und Gott, der meine Liebe gelten sollte.
Grüße mir alle, die in dieser Stunde an mich denken sollten. […] Und nun innigstgeliebte Mutter, lasse Dich im Angesichte des Erlösers im Geiste nochmals umarmen von Deinem Dich in Ewigkeit treuliebenden Hansl

Seine Mutter Therese Graber, die schwer erkrankte, 53-jährig im Dezember 1952 in Salzburg starb, konnte somit die Benennung einer Straße im Stadtteil Aigen nach ihrem Sohn Hans GRABER im Jahr 1965 nicht erleben.

Quellen

  • Stadt- und Landesarchiv Salzburg
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
Autor: Gert Kerschbaumer
Recherche: Hanno Bayr

Stolperstein
verlegt am 14.07.2015 in Salzburg, Paris-Lodron-Straße 9

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